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    Anrufbus Rottweil: tausende Buchungen, keine Fehler – und doch keine Garantie auf eine reibungslose Fahrt?

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    Eine blonde junge Frau im luftigen Shirt, mit einem strahlenden Lächeln, das Smartphone am Ohr. So stellen sich die Betreiber des Anrufbusses Landkreis Rottweil ihre Kundschaft vor. Alles ganz easy, alle sind fröhlich, man duzt sich wie alte Bekannte, ist total locker drauf. Manche sind das aber nicht. Dennoch hält der Betreiber sein System für fehlerfrei und eine Verwechslung für möglich. Das Landratsamt sieht aber auch die Kapazitätsgrenze erreicht.

    Im Sommer, wenn luftige Shirts passend sind, mag das ja kein größeres Problem sein – aber jetzt, bei früh einsetzender Dunkelheit und einstelligen Temperaturwerten, wird es unangenehm, wenn man nicht von A nach B kommt, sich nicht auf den Anrufbus verlassen kann. So berichten Nutzer der NRWZ übereinstimmend, dass der Bus öfter mal nicht kommt. Oder dass die Fahrgast-App für den Anrufbus Landkreis Rottweil nicht funktioniert – Buchungen seien darüber nicht möglich. Das bestätigen Nutzer-Kritiken in den Download-Portalen von Apple und Google: „Anrufbusse nicht buchbar„, heißt es da, und „Nutzlose App“, „nichts buchbar“. Oder auch: „Buchung aktuell nicht möglich. In der App können leider aktuell keine Buchungen getätigt werden. Mit dem Rufbusangebot bin ich sehr zufrieden und in der Vergangenheit funktionierte die App einwandfrei.“

    Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht

    Ein Leser berichtet von mehreren Fällen, in denen nichts geklappt hat. „Ein konkretes Beispiel ist eine Mutter aus der Ukraine, die im Landkreis lebt und arbeitet“, erzählt er. „Ohne Führerschein und ohne familiären Rückhalt ist sie auf den Bus angewiesen, um nach ihrer Schicht nach Hause zu kommen. Doch oft fährt der Anrufbus nicht, oder sie muss stundenlang auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Das bedeutet für sie, dass sie nachts alleine unterwegs ist, kilometerweit durch dunkle Straßen läuft oder sich ein Taxi leisten muss – was ihr geringes Gehalt kaum zulässt.“ Solche Zustände seien „nicht tragbar und machen es vielen Menschen fast unmöglich, ihre Arbeit und Familie zu managen“, lautet das Fazit des Lesers.

    Er berichtet auch von Jugendlichen und Auszubildenden, die abends von der Arbeit oder Schule nach Hause wollen, und Probleme hätten: „Wer nach 21 oder 22 Uhr auf den Anrufbus angewiesen ist, hat oft Pech – es gibt schlicht keine Fahrmöglichkeiten. Ein 15-jähriges Mädchen, das nach einem Abend am Bahnhof Rottweil nach Villingendorf möchte, steht ohne Bus da und hat keine andere Wahl, als sich entweder ein teures Taxi zu nehmen oder jemanden zu bitten, sie abzuholen. Für viele Jugendliche, deren Eltern keinen Führerschein oder kein Auto haben, gibt es keine Lösung. Sie bleiben in einer Sackgasse und haben keine Möglichkeit, sicher und kostengünstig nach Hause zu kommen.“

    Callcenter weit weg

    Stattdessen müssten die Fahrgäste eine teure Hotline anrufen. Hohe Gebühren, die primär sozial Schwächere stark belasten, verkehre die eigentliche Idee der kostengünstigen Mobilität ins Gegenteil, argumentiert unser Leser. Besonders bitter sei: Anrufer landen oft bei einem Callcenter außerhalb des Landkreises, das mit der lokalen Situation kaum vertraut ist.

    Selbst, wer bereit sei, die teure Hotline zu nutzen, hat offenbar keine Garantie, dass die Fahrt reibungslos verläuft. „Häufig kommt es zu Überbuchungen, sodass Fahrgäste keinen Platz im Bus bekommen, obwohl sie eine Buchungsbestätigung erhalten haben.“ Die Folge seien teils massive Wartezeiten – oft bis zu einer Stunde und länger. Doch das ist nicht das einzige Problem: Es gibt Berichte, dass der Bus gar nicht auftaucht, weil entweder Personal fehlt oder schlichtweg nicht genügend Busse zur Verfügung stehen.

    „Schei… Bus“

    Für junge Auszubildende stelle sich die Situation ähnlich dramatisch dar. „Wer etwa im Einzelhandel bis spät in den Abend arbeitet, muss oft große Umwege in Kauf nehmen, weil der Anrufbus nicht bis zu seinem Wohnort fährt oder schlicht nicht erscheint. Ein junger Azubi, der im Kaufland bis 22 Uhr arbeitet, muss nach Feierabend quer durch die Stadt laufen, um überhaupt die nächste Anrufbus-Haltestelle zu erreichen“, sagt unser Leser. Und während wir beim Landratsamt nachfragen, die Sprecherin der Behörde die Informationen zusammenträgt, berichtet der Leser erneut von einem nicht erscheinenden Anrufbus. Von irgendwo in der Pampa im Landkreis Rottweil wartenden Fahrgästen. „Da stehen manchmal 15-Jährige draußen, kommen nachts nicht heim, weil so ein schei… Bus nicht kommt, das ist ein Riesenproblem, weil die das nicht auf die Reihe kriegen. Das ist sooo nervig …“

    Liniennetzplan des Anrufbusses Kreis Rottweil. Quelle: Landratsamt Rottweil

    Kosten: rund 100.000 Euro

    Immerhin hat die Software richtig Geld gekostet. „Der Anrufbus im Landkreis Rottweil bekommt eine eigene App – entwickelt mit Fördergeldern aus dem Topf ‚Innovationsoffensive Öffentliche Mobilität‘, freute sich das Landratsamt im März 2023.

    Fast 75.000 Euro hat das Ministerium für Verkehr zur Entwicklung demnach beigesteuert. Das entspricht drei Viertel der Gesamt-Entwicklungssumme. Die Kosten für Konzeption, Gestaltungskonzept, Screen-Design, App-Entwicklung und Marketingkonzept wurden mit 99.430 Euro veranschlagt. Drei Viertel der Summe, genau 74.572,50 Euro, finanzierte das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg. Die verbleibenden 24.857,50 Euro bezahlte der Kreis aus seinen eigenen Mitteln.

    Das Versprechen: Wenn abends oder am Wochenende die Linienbusse nicht mehr unterwegs sind, können Fahrgäste den Anrufbus nutzen. „Er fährt im Stundentakt nach einem festen Fahrplan, aber nur dann, wenn er vorher gebucht wurde.“, so das Landratsamt 2023. Und die App sei mehr als ein reines Buchungstool: „Sie dient gleichzeitig als Fahrplanauskunft und verfügt über eine Ortungsfunktion, die den Fahrgast mit Echtzeitinformationen zu seiner bestellten Fahrt versorgt. Start- und Zielhaltestelle werden auf der Karte angezeigt. Außerdem kann ab 15 Minuten vor Fahrtbeginn der Standort des Fahrzeugs angezeigt werden.“

    Die App. Quelle: Landratsamt Rottweil

    Läuft.

    Und? Läuft die App? Das Landratsamt sagt eindeutig: Ja. „Die Anrufbus-App wird durch Softwareupdates unseres IT-Partners regelmäßig aktualisiert und sollte funktionieren – wir prüfen sie regelmäßig selbst und buchen auch über die App, Fehlfunktionen gab es bei uns keine.“

    Das antwortet eine Sprecherin des Landratsamts Rottweil auf Nachfrage der NRWZ. Doch kennt auch sie ein Problem: So „erscheint bei fehlender Fahrzeugkapazität eine Meldung, dass die Buchung nicht möglich ist. Dies wird möglicherweise als Fehlfunktion wahrgenommen.“ Es sei aber lediglich der Hinweis, dass kein Platz mehr im Anrufbus frei ist. Eine Überbuchung der Fahrzeuge sei mit der eingesetzten Software nicht möglich.

    Die Zahl der Buchungen geht in die Tausende und steigt. „Derzeit nutzen 4000 Fahrgäste monatlich den Anrufbus, und mit der App wird die Buchung deutlich komfortabler“, sagte Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel vor eineinhalb Jahren. Die neuesten Zahlen: Im Monat August 2024 wurden 5295 Buchungen über die App vorgenommen, im September 2024 waren es 6194.

    Wer zu spät kommt …

    Damit ist die eine Grenze überschritten: Gerade am Wochenende reichten die Kapazitäten der Anrufbusse oft nicht aus, gibt die Sprecherin des Landratsamts zu.

    „Derzeit haben wir zehn Achtsitzer-Kleinbusse für den Landkreis, ab 1. Januar 2025 sind es elf Busse. Deshalb empfehlen wir, die gewünschten Fahrten rechtzeitig zu buchen.“ Das klingt ein wenig nach dem schönen Satz: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

    Zum Hintergrund: Als man 2009 den Anrufbusverkehr im gesamten Landkreis neu organisierte – im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung -, hatte sich der damalige Kreistag darauf geeinigt, zehn Fahrzeuge zu finanzieren, um den finanziellen Aufwand für den Anrufbus zu deckeln. Diese Fahrzeuge sind auf drei sogenannte „Lose“ aufgeteilt, also auf Gebiete, in denen sie mit einem festen Fahrplan unterwegs sind: drei Fahrzeuge im Los Rottweil, drei Fahrzeuge im Los Oberndorf und vier Fahrzeuge im Los Schramberg. Diesem Beschluss des Kreistags war eine Beratung durch Verkehrsexperten der nbsw Nahverkehrsberatung vorausgegangen. „Es stehen also tatsächlich nicht mehr als diese zehn Fahrzeuge zur Verfügung.“ Bei Bedarf am Wochenende könne man nicht einfach aufstocken, sagt die Sprecherin des Landratsamts. Doch dieses Problem sei adressiert, „im nächsten Jahr kommt, wie oben erwähnt, nun ein weiterer Bus dazu.“

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    Mehr Informationen
    Werbung für den Anrufbus Rottweil. Quelle: Landratsamt Rottweil

    Von Hannover bis zum „Kreuz“ in Villingendorf – zur Not mit dem Taxi

    Was kann die App nun, wie hat sie die junge blonde Frau aus der Landratsamts-Werbung so glücklich gemacht? Die Behördensprecherin zählt auf:

    • Die App zeigt alle verfügbaren ÖPNV-Fahrten in ganz Deutschland an. So ist es möglich, mit unserer Anrufbus-App eine ganze Reisekette etwa von Hannover bis zur Haltestelle Kreuz, Villingendorf zu planen. Gebucht werden kann aber nur die Anrufbusfahrt Rottweil/Bahnhof nach Villingendorf, und zwar nur dann, wenn keine Linienfahrt vorhanden ist. Alle anderen Fahrten werden als „systemfremde Fahrten“ angezeigt und können nicht gebucht werden. 
    • Wenn die Anrufbusfahrzeuge zum gewünschten Zeitpunkt bereits auf anderen Linien unterwegs sind, erscheint die Meldung, dass die gewünschte Fahrt nicht buchbar ist.
    • Der Anrufbus fährt nach Fahrplan und Vorbestellung. Alle Städte und Gemeinden sind nach dem normalen Linienverkehr an den Anrufbusverkehr angebunden, jede Haltestelle wird angefahren. 
    • Alle Anrufbusse sind mit GPS ausgestattet, sollten Fahrzeuge nicht kommen, kann das Landratsamt das überprüfen. Die Sprecherin des Landratsamts: „Noch ein wichtiger Hinweis: Wenn eine Buchungsbestätigung für eine Fahrt vorliegt und das Fahrzeug nicht kommt, kann der Fahrgast ein Taxi bestellen, die Kosten werden übernommen.“
    • Der Anrufbusfahrplan der einzelnen Linien ist auf der Webseite des Landkreises zu finden (www.landkreis-rottweil.de/anrufbus).
    • Bei der telefonischen Buchung kostet ein Anruf aus dem Festnetz 0,20 € je Anruf und aus dem Mobilfunknetz max. 0,60 € je Anruf. Eine kostenlose Buchung ist auch über den QR-Link (ist auf unserer Homepage zu finden) und Internet www.efa-bw.de möglich. 
    • Die Entgegennahme der Anrufe und die Disposition der Fahrten erfolgt durch ein auf den ÖPNV spezialisiertes Call-Center, die Firma OTON in Dortmund. Die Teamleiter hätten unter anderem auch den Landkreis Rottweil bereist. Sie seien mit den Örtlichkeiten vertraut.

    Beschwerde? Hier entlang.

    Zudem gibt es ein Versprechen des Landratsamts Rottweil. Dessen Sprecherin sagt: „Wir versuchen, unseren Anrufbus ständig zu verbessern und sind über Rückmeldungen dankbar.“ Jede konkrete Beschwerde, die beim Nahverkehrsamt eingeht, wird geprüft, der Fahrgast erhält eine Rückmeldung, heißt es. Beschwerden oder Rückfragen kann man an das Beschwerdeformular des Landkreises richten.  

    Tipp für den Kaufland-Azubi

    Und auch zum Fall des Azubis im Kaufland hat die Landratsamts-Sprecherin einen Tipp: „Er kann die Haltestelle Saline buchen (Linien 9001, 9002, 9440), da jede Haltestelle angefahren wird, muss er nicht in die Stadt laufen.“

    Und dann gibt es ja noch einen zweiten Anrufbus

    Vielleicht ist ja auch eine schlichte Verwechslung der Grund für den ganzen Ärger? Jedenfalls weist die Behördensprecherin noch darauf hin: „Immer wieder gibt es bei diesem Thema Verwechslungen mit dem Rufbus, einem zusätzlichen Angebot im Landkreis, das von den Verkehrsunternehmen organisiert wird.“ Infos zum Rufbus finden sich auf der Seite von mein move, hier sind am Ende der Seite auch die entsprechenden Linien aufgeführt, auf denen die Rufbusse fahren: Bedarfsverkehre – Move – Dein neuer Verbundtarif.

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    Peter Arnegger (gg)
    Peter Arnegger (gg)
    … ist seit gut 25 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der “Schwäbischen Zeitung” in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung.2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur, und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ.Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.