Schwere Geschütze hat der AfD-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Rottweil, Emil Sänze, am späten Mittwochabend aufgefahren. Wegen „Gesinnungsterrors“ und Drohanrufen von „Mitgliedern von CDU, SPD und FDP“ gegen den Wirt eines Oberndorfer Restaurants habe sein Kreisverband dort keinen Stammtisch abhalten können. Die NRWZ hat sich nun mit dem betroffenen Wirt unterhalten, wollte wissen, warum er die AfD ausgeladen hat. Bei einem Espresso erklärte er es gerne.
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Donnerstagmittag im „Ristorante Delle Rose“ in Oberndorf. Fast alle Tische sind besetzt. Familien und Paare sind unter den Gästen, zumeist aber Mitarbeiter umliegender Unternehmen. Heckler und Koch liegt nur über die Straße. Es ist 13 Uhr, der Ansturm auf die Küche ist vorüber. Mani Gashi, Inhaber des Restaurants, hat Zeit für den Mann von der NRWZ. Er ordert zwei Espressi. Ein freundlicher Mensch. Auskunftsbereit. Ein Wirt, der froh ist, dass sein Laden läuft.
Am Mittwoch war das anders. „Kein Mensch war zum Mittagessen gekommen, auch am Abend blieb mein Restaurant leer“, sagt er, die Handflächen ausbreitend. Für ihn liegt der Grund auf der Hand: Nachdem in der örtlichen Tageszeitung gestanden hatte, dass die AfD zu ihrem Stammtisch ins „Delle Rose“ einlade, seien seine Stammgäste ausgeblieben.
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Aus allen Wolken sei er, Gashi, gefallen, als er in der Zeitung gelesen habe, wer da einen Stammtisch angemeldet habe. Bei der Buchung, vor einigen Wochen, sei das Wort „AfD“ nicht gefallen. Es sei ihm auch nicht klar gewesen, dass er eine Partei beherbergen werde, so der Wirt. Es sei einfach ein Stammtisch angemeldet worden.
„Das haben wir oft“, so Gashi zur NRWZ. Jahrgänge, Wanderer, jüngst die Stadtkapelle kommen nach seinen Angaben gerne in sein Restaurant. Die Musiker zuletzt mit 150 Leuten, manche seien bis morgens um sechs geblieben. „Wir machen das gerne“, sagt der Wirt und strahlt. Das „Delle Rose“ führe er jetzt seit drei Jahren. Allmählich mache sich die Aufbauarbeit bezahlt.
„Das Restaurant war eigentlich am Boden“, erinnert sich ein Stammgast, der bei einem Glas Bier und einem Kreuzworträtsel das Gespräch zwischen Wirt und Reporter verfolgt. Bevor Gashi übernommen habe, seien zuletzt vornehmlich Spielautomaten im ehemaligen „Albblick“ gewesen. Wie gesagt: Inzwischen brummt der Laden. „Wir haben mittags und abends immer ein volles Haus“, so Gashi.
Bis auf Mittwoch. Was ihm Angst gemacht habe. „Es braucht nur eine Kleinigkeit, und Dein Ruf ist am Boden“, fürchtet der Gastronom. Und diese Kleinigkeit, so scheint’s, hätte der AfD-Stammtisch sein können.
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Es stimmt: Es hat Anrufe gegeben, das bestätigt der Wirt. Drohanrufe will er sie nicht nennen. Es hätten sich drei oder vier Leute gemeldet, die gesagt hätten, dass er keinen Mist machen und die AfD nicht beherbergen solle. Die Anrufe habe meist eine Angestellte entgegen genommen, teils habe er dann das Gespräch übernommen. Laut geworden sei keiner.
Und: Keiner habe sich als einer Partei zugehörig zu erkennen gegeben. Genau das hat Emil Sänze, der gerade ausgeladene Gast, aber in seiner Pressemitteilung am Mittwochabend erklärt. „Die Drohanrufer seien nicht einmal davor zurückgeschreckt, sich als Mitglieder von CDU, SPD und FDP zu outen“, behauptete er.
„Das ist Quatsch“, so der Gastronom auf Nachfrage der NRWZ. Keiner habe eine Partei am Telefon genannt, er selbst sei ein eher unpolitischer Mensch, kenne sich mit den Parteien auch nicht aus. Keinesfalls könne er ahnen, ob er irgendein Parteimitglied am Telefon habe.
Woher stammt also die Information, dass hier „die CDU, die SPD und die FDP“ gewirkt hätten? Von Emil Sänze selbst, erklärt dessen Stuttgarter Büroleiter und Referent ebenfalls auf Nachfrage der NRWZ. Alle Inhalte der entsprechenden Pressemitteilung liefere Sänze persönlich. Also auch: Damit sei es „wieder einmal …zu einer schwerwiegenden Verletzung der demokratischen Selbstbestimmung und auch zu einem Eingriff in die wirtschaftlichen Interessen eines Gastwirts gekommen, dem offen mit Boykott gedroht wird“. So zu finden in Sänzes Presseerklärung.
Sänze sah auch eine „inzwischen über den linken Rand hinausreichende beziehungsweise die nun nicht mehr nur die Linksparteien, sondern auch breite Teile des einstmals bürgerlichen Lagers erfassende Demokratiefeindlichkeit“ und einen damit verbundenen „Gesinnungterror“, den er als „erschreckend“ bezeichnet. Seine politischen Gegner bedienten sich rechtswidriger Mittel, um eine AfD-Versammlung zu unterbinden.
Nun – offenbar wollte der Wirt des „Delle Rose“ einfach keinen Ärger. „Wir sind ein Speiserestaurant“, ergänzt Gashi. In seinem Lokal sollten die Menschen möglichst gepflegt und gut essen. Nicht parteipolitisch debattieren.
Der Stammgast, der Pensionär mit dem Pils, pflichtet bei: „Es hat hier noch nie einen Stammtisch einer Partei gegeben.“ So wahr er Gast sei in dem Restaurant, und das ist er offenbar schon Jahrzehnte lang. Die AfD aber hätte wohl auch ihn vertrieben – „wir hätten dem Wirt abgeraten, sie einzuladen“, sagt er über sich und seine Kumpels.
Gashi wiederum fühlt sich am Ende auch nicht unbedingt schlecht dabei, dass er die Leute, die am Mittwochabend zum AfD-Stammtisch hätten gehen wollen, wieder weggeschickt hat. „Fünf oder sechs“, sollen es gewesen sein, darunter auch Emil Sänze als Vorsitzender des Kreisverbands, Gashi erkennt ihn auf einem Foto wieder. „Sie hätten doch einen Saal mieten können“, sagt er. Warum sein Restaurant? Nein, die Stammgäste aus Oberndorf, die Familien, die Paare und die Mitarbeiter etwa von Heckler und Koch, die sind ihm lieber. Egal, zu welcher Partei sie tendieren.