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    Strahlende Münster-Gotik – auch dank Theatertricks

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    Er hat das Erscheinungsbild des Heilig-Kreuz-Münsters geprägt, dabei aber auch in die Trickkiste des Theatermalers und Bühnenausstatters gegriffen: Carl Alexander von Heideloff (1789-1865). An die hundert Interessierte bewegten sich am Sonntag auf den Spuren dieses Erneuerers der Gotik, der die Rottweiler Hauptkirche, deren Weihe sich 2022 zum 900. Mal jährt, zu dem gemacht hat, was sie heute ist.

    „Echt, ehrlich und einheitlich“: Auf diesen Nenner brachte der langjährige Diözesanbaumeister Dr. Heinrich Giese bei vom Förderverein Münsterbauhütte organisierten Führung die Leitideen Carl Alexander Heideloffs. Als dieser 1839 mit der Renovierung von Heilig-Kreuz beauftragt wurde, hatte er klare Vorstellungen – und war bereits ein renommierter Experte.

    Eine große Zahl Interessierter war zur Führung gekommen. Foto: al

    Der gebürtige Stuttgarter stand im Dienst des kunstsinnigen Ludwig I. von Bayern. Seit 1835 bekleidete er das Amt eines „Königlichen Conservators“, modern gesprochen: des Chefs der neu geschaffenen Denkmalpflege. Nach seinen Plänen wurde zwischen 1840 und 1842 Schloss Lichtenstein erbaut. Nur dank familiärer Verbindungen nach Rottweil konnte der gefragte Fachmann für das Heilig-Kreuz-Projekt gewonnen werden – ein Glücksfall.

    Denn, wie Referent Heinrich Giese deutlich machte: Heideloff ging zwar rigoros zur Sache. In der Kirche, die damals innen wohl ähnlich ausgestattet war wie heute die Predigerkirche, ließ er allen barocken Putz abschlagen und Inventar hinauswerfen. Aber Heideloff war dabei von einer hochgestimmten Idee von Gotik beseelt. Und mit der brachte er den Raum letztlich wieder seinem ursprünglichen Gepräge und seiner Strahlkraft nahe.

    Zentral dabei war die Vorstellung, dass Naturstein „authentisch“ sei – und gleichsam den Goldstandard für Oberflächen darstelle. Diesem Gedanken wurde alles untergeordnet. Dabei fand man, wie Giese deutlich machte, unter dem Putz gar keine glatten, hübschen Sandsteinquader: „Vielfach waren da grobe, mit Mörtel zugestopfte Klötze“. Um die heutigen, scheinbar natürlichen Oberflächen herzustellen, wurde ein immenser Aufwand betrieben. Die obere Ebene wurde ausgetauscht. Und vielfach, vor allem in höheren Wandregionen, schlicht ein raffinierter Putz aufgebracht, der den Anschein von Naturstein erweckt. Letztlich sei Heideloff, seinem Erstberuf als Theatermaler und Bühnenbildner entsprechend im Münster „mehr Ausstatter als Architekt“ gewesen, fasste Giese pointiert zusammen.

    Der Referent zeigte: Manches, was aussieht wie Naturstein, ist in Wirklichkeit raffinierter Putz. Foto: al

    Auch wenn man angesichts solcher Tricks heute fast von „Fake“ sprechen würde: Heinrich Giese lobte Heideloffs auf ein Ideal von Homogenität zielende Gestaltung, die mit qualitätvoller weiterer Ausstattung verbunden wurde. Giese zeigte, dass sie einem Herzensanliegen der Romantik entsprang: Nach den Umbrüchen der napoleonischen Epoche in der gotischen Kunst des Mittelalters wieder Halt und Orientierung zu finden – spirituell und politisch. Deshalb wurden auch fast zeitgleich die seit Jahrhunderten ruhenden Arbeiten am Kölner Dom und am Ulmer Münster wiederaufgenommen.

    Hinzu kamen konfessionelle Konfliktlagen. So schwang sich der durch den Kollaps des Alten Reiches mitsamt der Vernichtung von Strukturen und Kulturschätzen gebeutelte Katholizismus zu neuer Kraft auf – abzulesen etwa an der Wallfahrt zum Heiligen Rock in Trier 1844, die eine halbe Million Menschen mobilisierte. In die „Gotik“ konnte man all dies hineinprojizieren: Die ganze Sehnsucht nach einer intakten, „guten“ Ordnung ohne Brüche, letztlich einer heilen Welt.

    Giese verdeutlichte, dass die damalige Neugestaltung von Heilig Kreuz in diesen Kontexten gesehen werden muss. Heideloff habe den Menschen mit einer revitalisierten Gotik in Heilig Kreuz einen Identitätsanker geben wollen, ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobenheit – und etwas, das ihnen auch half, ihre Gegenwart zu bewältigen, argumentierte Giese.

    Der Referent führte aber auch die näheren Blickfelder heran: So zeigte er, dass damals etliche Gotteshäuser erbaut wurden: In Dietingen und Dunningen etwa, oder St. Maria in Schramberg – ein Projekt, das mit 25.000 Gulden übrigens weit preisgünstiger war als die Regotisierung von Heilig Kreuz, für die man stattliche 89.000 Gulden aufwandte.

    War ein gefragter Experte: Carl Alexander von Heideloff. Abbildung: Haus der Bayerischen Geschichte

    Dass Carl Alexander von Heideloff nicht nur den Gesamteindruck des Sakralraums formte, sondern auch hochwertige Ausstattung aus eigener Hand beisteuerte, zeigte Giese anhand des Valentins-Altars im linken Seitenschiff – und anhand des Auferstehungs-Fensters im Hochchor. Zu diesem Werk wurde jüngst in einem Rottweiler Haus ein etwa zwei Meter hoher farbiger Entwurf aufgefunden – der am Sonntag besichtigt und mit der Ausführung verglichen werden konnte.

    Erst vor Kurzem aufgetaucht: Ein farbiger Entwurf des Auferstehungs-Fensters. Foto: al

    Giese deutete das von neugotischer Ornamentik durchzogene Werk als persönliches Glaubenszeugnis Heideloffs. Dieser musste Schicksalsschläge erdulden und bereits mit 18 Jahren seine ganze Familie versorgen. Vor diesem Hintergrund habe das Erlösungsversprechen des Ostergeschehens für Heideloff, der ein sehr gläubiger Katholik gewesen sei, eine ganz eigene Bedeutung entfaltet, mutmaßte Giese. Folg man diesem Gedanken, dann war freilich die gesamte Neuerweckung der Gotik von Heilig Kreuz für Carl Alexander von Heideloff kein Projekt unter vielen, sondern eine Aufgabe, die seinen Überzeugungen und Idealen entsprach.

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    Er hat das Erscheinungsbild des Heilig-Kreuz-Münsters geprägt, dabei aber auch in die Trickkiste des Theatermalers und Bühnenausstatters gegriffen: Carl Alexander von Heideloff (1789-1865). An die hundert Interessierte bewegten sich am Sonntag auf den Spuren dieses Erneuerers der Gotik, der die Rottweiler Hauptkirche, deren Weihe sich 2022 zum 900. Mal jährt, zu dem gemacht hat, was sie heute ist.

    „Echt, ehrlich und einheitlich“: Auf diesen Nenner brachte der langjährige Diözesanbaumeister Dr. Heinrich Giese bei vom Förderverein Münsterbauhütte organisierten Führung die Leitideen Carl Alexander Heideloffs. Als dieser 1839 mit der Renovierung von Heilig-Kreuz beauftragt wurde, hatte er klare Vorstellungen – und war bereits ein renommierter Experte.

    Eine große Zahl Interessierter war zur Führung gekommen. Foto: al

    Der gebürtige Stuttgarter stand im Dienst des kunstsinnigen Ludwig I. von Bayern. Seit 1835 bekleidete er das Amt eines „Königlichen Conservators“, modern gesprochen: des Chefs der neu geschaffenen Denkmalpflege. Nach seinen Plänen wurde zwischen 1840 und 1842 Schloss Lichtenstein erbaut. Nur dank familiärer Verbindungen nach Rottweil konnte der gefragte Fachmann für das Heilig-Kreuz-Projekt gewonnen werden – ein Glücksfall.

    Denn, wie Referent Heinrich Giese deutlich machte: Heideloff ging zwar rigoros zur Sache. In der Kirche, die damals innen wohl ähnlich ausgestattet war wie heute die Predigerkirche, ließ er allen barocken Putz abschlagen und Inventar hinauswerfen. Aber Heideloff war dabei von einer hochgestimmten Idee von Gotik beseelt. Und mit der brachte er den Raum letztlich wieder seinem ursprünglichen Gepräge und seiner Strahlkraft nahe.

    Zentral dabei war die Vorstellung, dass Naturstein „authentisch“ sei – und gleichsam den Goldstandard für Oberflächen darstelle. Diesem Gedanken wurde alles untergeordnet. Dabei fand man, wie Giese deutlich machte, unter dem Putz gar keine glatten, hübschen Sandsteinquader: „Vielfach waren da grobe, mit Mörtel zugestopfte Klötze“. Um die heutigen, scheinbar natürlichen Oberflächen herzustellen, wurde ein immenser Aufwand betrieben. Die obere Ebene wurde ausgetauscht. Und vielfach, vor allem in höheren Wandregionen, schlicht ein raffinierter Putz aufgebracht, der den Anschein von Naturstein erweckt. Letztlich sei Heideloff, seinem Erstberuf als Theatermaler und Bühnenbildner entsprechend im Münster „mehr Ausstatter als Architekt“ gewesen, fasste Giese pointiert zusammen.

    Der Referent zeigte: Manches, was aussieht wie Naturstein, ist in Wirklichkeit raffinierter Putz. Foto: al

    Auch wenn man angesichts solcher Tricks heute fast von „Fake“ sprechen würde: Heinrich Giese lobte Heideloffs auf ein Ideal von Homogenität zielende Gestaltung, die mit qualitätvoller weiterer Ausstattung verbunden wurde. Giese zeigte, dass sie einem Herzensanliegen der Romantik entsprang: Nach den Umbrüchen der napoleonischen Epoche in der gotischen Kunst des Mittelalters wieder Halt und Orientierung zu finden – spirituell und politisch. Deshalb wurden auch fast zeitgleich die seit Jahrhunderten ruhenden Arbeiten am Kölner Dom und am Ulmer Münster wiederaufgenommen.

    Hinzu kamen konfessionelle Konfliktlagen. So schwang sich der durch den Kollaps des Alten Reiches mitsamt der Vernichtung von Strukturen und Kulturschätzen gebeutelte Katholizismus zu neuer Kraft auf – abzulesen etwa an der Wallfahrt zum Heiligen Rock in Trier 1844, die eine halbe Million Menschen mobilisierte. In die „Gotik“ konnte man all dies hineinprojizieren: Die ganze Sehnsucht nach einer intakten, „guten“ Ordnung ohne Brüche, letztlich einer heilen Welt.

    Giese verdeutlichte, dass die damalige Neugestaltung von Heilig Kreuz in diesen Kontexten gesehen werden muss. Heideloff habe den Menschen mit einer revitalisierten Gotik in Heilig Kreuz einen Identitätsanker geben wollen, ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobenheit – und etwas, das ihnen auch half, ihre Gegenwart zu bewältigen, argumentierte Giese.

    Der Referent führte aber auch die näheren Blickfelder heran: So zeigte er, dass damals etliche Gotteshäuser erbaut wurden: In Dietingen und Dunningen etwa, oder St. Maria in Schramberg – ein Projekt, das mit 25.000 Gulden übrigens weit preisgünstiger war als die Regotisierung von Heilig Kreuz, für die man stattliche 89.000 Gulden aufwandte.

    War ein gefragter Experte: Carl Alexander von Heideloff. Abbildung: Haus der Bayerischen Geschichte

    Dass Carl Alexander von Heideloff nicht nur den Gesamteindruck des Sakralraums formte, sondern auch hochwertige Ausstattung aus eigener Hand beisteuerte, zeigte Giese anhand des Valentins-Altars im linken Seitenschiff – und anhand des Auferstehungs-Fensters im Hochchor. Zu diesem Werk wurde jüngst in einem Rottweiler Haus ein etwa zwei Meter hoher farbiger Entwurf aufgefunden – der am Sonntag besichtigt und mit der Ausführung verglichen werden konnte.

    Erst vor Kurzem aufgetaucht: Ein farbiger Entwurf des Auferstehungs-Fensters. Foto: al

    Giese deutete das von neugotischer Ornamentik durchzogene Werk als persönliches Glaubenszeugnis Heideloffs. Dieser musste Schicksalsschläge erdulden und bereits mit 18 Jahren seine ganze Familie versorgen. Vor diesem Hintergrund habe das Erlösungsversprechen des Ostergeschehens für Heideloff, der ein sehr gläubiger Katholik gewesen sei, eine ganz eigene Bedeutung entfaltet, mutmaßte Giese. Folg man diesem Gedanken, dann war freilich die gesamte Neuerweckung der Gotik von Heilig Kreuz für Carl Alexander von Heideloff kein Projekt unter vielen, sondern eine Aufgabe, die seinen Überzeugungen und Idealen entsprach.

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