Vor wenigen Wochen endete in Schramberg eine Ära, besser gesagt eine Veranstaltungsreihe: die ehemalige Justizministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin sprach in der Aula des Gymnasiums. Ihr Thema: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser viel beachtete Diskussionsabend war der letzte, den „Marktplatz Kirche“ organisiert hatte.
Schramberg. Den Auftakt hatte Ernst-Ulrich von Weizsäcker am 5. Oktober 2001 gemacht. Der damalige Bundestagsabgeordnete und Umweltwissenschaftler sprach über „eine neue Politik für die Erde“.
Dazwischen lagen an die 130 Abende mit fast 14.000 Besucherinnen und Besuchern.
Doch nun ist Schluss. Klaus Andreae, der mit einer Unterbrechung von sechs Jahren den Lenkungskreis von Marktplatz Kirche leitete, nannte als Hauptgrund sein Alter: „Ich bin jetzt 85, wie lange schaffe ich das noch?“, habe er überlegt. Es sei auch immer schwieriger geworden neue, jüngere Mittglieder für den Lenkungskreis zu gewinnen.
Marktplatz Kirche war ein ökumenisches Projekt von zwölf Kirchengemeinden aus dem Raum Schramberg. von Waldmössingen bis Tennenbronn, von Mariazell bis Lauterbach. Kooperationspartner waren die Volkshochschule Schramberg, das evangelische Bildungswerk Balingen-Sulz und die katholische Erwachsenenbildung Rottweil. Jede Gemeinde sollte ein Mitglied in den Lenkungskreis entsenden, der die Jahresthemen bestimmt hat und die Referenten auswählte.
Neue Leute ansprechen
Entstanden sei das Projekt, weil bei der Erwachsenenarbeit ums Jahr 2000 sowohl in Sulgen als auch in der Talstadt „immer dieselben Leute“ gekommen seien, erinnert sich Klaus Andreae im Gespräch mit der Presse. Hermann Körner und er hätten sich eine andere Form, den „offenen Kreis“, ausgedacht, um das ganze interessanter zu machen. Der Erfolg: „Es kamen wieder dieselben Leute.“
Ein Freund aus Bayern habe ihm vorgeschlagen: „Macht nur vier oder fünf Termine, aber mit hochkarätigen Referentinnen und Referenten.“ So hätten sie es dann gemacht, für jedes Jahr ein Thema gewählt und dann bekannte Leute eingeladen. Der Erfolg hat dem Freund aus Bayern Recht gegeben
Eintritt verlangt
Um die Kosten tragen zu können, habe man bei Marktplatz Kirche auch immer Eintritt verlangt getreu dem Motto: “Was nix koscht, isch nix!“. So hätten die beteiligten Kirchengemeinden auch nie für irgendwelche Defizite aufkommen müssen. Honorare und Reisekosten der Vortragenden hätten die Eintrittsgelder gedeckt, so Andreae.
Allerdings seien die Honorare für die Gäste in den 23 Jahren deutlich gestiegen: Von anfangs um die 400 Euro auf heute um die 1000 Euro – wobei etliche Rednerinnen und Redner ihre Honorare gleich einem guten Zweck gespendet hätten.
Manche Redner wie Gregor Gysi hätten 500 Besucher angezogen. Mit diesen Einnahmen waren dann auch schwächer besuchte Abende zu finanzieren, erinnert sich Andreae.
Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm ein Abend im Sommer 2004 mit Pater Anselm Grün im Bärensaal mit 700 Besuchern oder Klaus Töpfer, dem ehemaligen Bundesumweltminister, im Jahr 2009. Friedrich Schorlemmer, früherer Bürgerrechtler aus der DDR, war zu Gast oder die Gründerin der Outdoormarke Vaude, Antje von Dewitz.
Sieben Jahre Kinder-Uni
Ein weiteres wichtiges Programm war die Kinder-Uni, die Marktplatz-Kirche einige Jahre organisiert hat. Zwischen 2006 und 2013 kamen Professorinnen und Professoren der Uni Tübingen nach Schramberg und beantworteten Fragen wie „Warum haben Ritter Burgen gebaut?“ Oder: „Warum verlieben sich Tiere?“ Hermann Körner habe die Kinder-Uni organisiert, so Andreae.
Insgesamt 2500 Kinder hätten die Vorlesungen in der Aula des Gymnasiums besucht.
Kabarett
Neben den Vorträgen und Podiumsdiskussionen lud Marktplatz Kirche auch immer wieder Kabarettisten nach Schramberg ein. Neben vielen sehr guten Veranstaltungen habe es natürlich auch einzelne Flops gegeben. Ein Referent, der im Vorgespräch sehr interessant geklungen habe, erwies sich später als wenig ergiebig. Einen Kirchenkabarettisten fand Andreae gar „grottenschlecht“.
Doch insgesamt ist Andreae sehr zufrieden. Und auch ein bisschen stolz. Das Ende von Marktplatz Kirche habe neben seinem Alter noch weitere Gründe. „Vielleicht brauchen wir neue Vermittlungsformen“, überlegt er, „vielleicht hat sich der klassische Vortrag überlebt.“
Abschluss als Chance
Es sei auch immer schwieriger Vortragende zu finden, die bereit seien, die Reise nach Schramberg auf sich zu nehmen. Von Dewitz beispielsweise habe die Einladung zu einen weiteren Vortrag abgelehnt. Aus ökologischen Gründen halte sie die Fahrt von Tettnang nach Schramberg für zwei Stunden nicht für sinnvoll.
Im Abschluss von Marktplatz Kirche, so Andreae, stecke auch „die Chance, dass sich etwas Neues in ähnlicher Form bildet“.
Bei einem gemeinsamen Abend trafen sich dieser Tage die aktuellen und ehemaligen Mitglieder des Lenkungskreises und ließen die vergangenen 23 Jahre nochmals Revue passieren.
Sie beschlossen, die noch vorhandenen Restgelder der Stiftung „Kinder fördern – Zukunft stiften“ zu spenden. Sitz der Stiftung ist in ist in Aussenkehr in Namibia. „Speziell fördern wir das ‚Volunteer Projekt‘“, berichtet Andreae auf Nachfrage. Damit werde etwa der Aufenthalt von Freiwilligen auch aus Deutschland finanziert. Mehr dazu hier.
Schade
Als Andreae am Ende des Abends zur Würde des Menschen erklärte, dies sei nun der letzte Marktplatzkirche-Abend gewesen, meinte die Referentin Herta Däubler-Gmelin laut vernehmbar: „Schade.“ Stimmt.