In dichter Symbolik wird an den Kar- und Ostertagen an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. Die Kunst hat die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Bis Ostersonntag sollen Beispiele aus der bedeutenden Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt werden. Hier nun Teil Zwei: Karfreitag.
Die Passion Christi hat im christlichen Glauben zentrale Bedeutung: Christi Tod am Kreuz erwirkt die Vergebung der Sünden und damit die Erlösung der Menschen. Die Vergegenwärtigung des Leidens und Sterbens Jesu Christi spielte in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit, die den Bildwerken in der Sammlung Dursch zugrunde liegt, daher eine zentrale Rolle.
Das Gedenken an die Passion prägte nicht nur die Karwoche, sondern stand während des gesamten Jahres im Blickfeld. Emotional ergreifende, zum Mitleiden anregende Darstellungen sind daher zahlreich. Die Schilderungen der körperlichen und seelischen Qualen Jesu rufen ein breites Spektrum intensiver Gefühle auf und können auch heute noch zum Nachdenken über existenzielle Fragen anregen.
Ein Beispiel dafür ist die Darstellung einer Dornenkrönung aus dem frühen 16. Jahrhundert, entstanden im schwäbischen Bodenseeraum: Fünf Gestalten bilden einen dichten Ring um Jesus. Zwei pressen mit einem querliegenden Stock die Dornenkrone auf sein Haupt, einer hält seine gebunden Hände nieder während zwei andere mit Keulen weit ausholen – man ahnt, mit welcher Gewalt sie auf den Geschundenen niedergehen.
Alles an dieser Szene, die auch an heutige Opfer von Folter denken lässt, spricht von brutaler Gewaltanwendung und gnadenlosem Zwang. Und doch wirkt der ausweglos eingezwängte Jesus trotz allem nicht zerschlagen. Er hält Rücken und Kopf gerade – und stellt der Primitivität der Folterknechte damit eine faszinierende Würde gegenüber. Aller blanken äußeren Gewalt zum Trotz können sie ihn augenscheinlich nicht brechen.
Zur anschließenden Kreuzigung findet sich im Dominikanermuseum eine Figurengruppe aus der Werkstatt des bedeutenden Schnitzers Michel Erhart aus Ulm, entstanden um 1485/90. Sie besticht durch eine interessante Akzentsetzung sowie die starke Körperlichkeit und expressive Gestik und Mimik der Figuren.
Die Versehrtheit des Gekreuzigten wird realitätsnah deutlich, zugleich strahlt er jedoch große Ruhe aus. Die Seitenwunde zeigt, dass der Tod bereits eingetreten ist – neben dem Leiden klingt in dieser Darstellung somit bereits die Überwindung des Todes an.
Bemerkenswert sind neben den beiden übel geschundenen – und seltsam klein gestalteten –Schächern zu beiden Seiten Jesu die Figuren zu Füßen des Gekreuzigten. Es handelt sich Willi Stähle zufolge um Longinus und den römischen Hauptmann. Longinus wendet sich zum Gekreuzigten und zeigt mit eindeutiger Geste, dass ihm soeben „die Augen aufgegangen“ seien.
Dies lässt sich als Moment der Erkenntnis deuten – der Hauptmann spricht laut Markus-Evangelium aus, was Longinus verstanden haben könnte: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“ Es gibt aber auch eine Legende, wonach Longinus unter dem Kreuz wundersam von einem Augenleiden geheilt worden sei.
Beide Bedeutungsgehalte schließen einander nicht aus. Jedenfalls ist mit dem hier eindrucksvoll dargestellten Tod Jesu der Tiefpunkt des Karfreitags erreicht.
Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.
Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.