back to top
...
    NRWZ.deKirchlichesLeiden und Sterben: Die Kar- und Ostertage im Spiegel der Sammlung Dursch

    Leiden und Sterben: Die Kar- und Ostertage im Spiegel der Sammlung Dursch

    Artikel
    Kommentare
    Autor / Quelle
    Weitere Artikel
    Für NRWZ.de+ Abonnenten: 

    In dichter Symbolik wird an den Kar- und Ostertagen an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. Die Kunst hat die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Bis Ostersonntag sollen Beispiele aus der bedeutenden Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt werden. Hier nun Teil Zwei: Karfreitag.

    Die Passion Christi hat im christlichen Glauben zentrale Bedeutung: Christi Tod am Kreuz erwirkt die Vergebung der Sünden und damit die Erlösung der Menschen. Die Vergegenwärtigung des Leidens und Sterbens Jesu Christi spielte in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit, die den Bildwerken in der Sammlung Dursch zugrunde liegt, daher eine zentrale Rolle.

    dsc 3698
    Qualen, Tod, Verzweiflung: Mit ergreifender Drastik hat ein schwäbischer Meister im frühen 17. Jahrhundert die Kreuzigung dargestellt. Foto: al

    Das Gedenken an die Passion prägte nicht nur die Karwoche, sondern stand während des gesamten Jahres im Blickfeld. Emotional ergreifende, zum Mitleiden anregende Darstellungen sind daher zahlreich. Die Schilderungen der körperlichen und seelischen Qualen Jesu rufen ein breites Spektrum intensiver Gefühle auf und können auch heute noch zum Nachdenken über existenzielle Fragen anregen.

    dsc 3689
    Darstellung der Dornenkrönung in der Sammlung Dursch, entstanden Anfang des 16. Jahrhunderts. Foto: al

    Ein Beispiel dafür ist die Darstellung einer Dornenkrönung aus dem frühen 16. Jahrhundert, entstanden im schwäbischen Bodenseeraum: Fünf Gestalten bilden einen dichten Ring um Jesus. Zwei pressen mit einem querliegenden Stock die Dornenkrone auf sein Haupt, einer hält seine gebunden Hände nieder während zwei andere mit Keulen weit ausholen – man ahnt, mit welcher Gewalt sie auf den Geschundenen niedergehen.

    Alles an dieser Szene, die auch an heutige Opfer von Folter denken lässt, spricht von brutaler Gewaltanwendung und gnadenlosem Zwang. Und doch wirkt der ausweglos eingezwängte Jesus trotz allem nicht zerschlagen. Er hält Rücken und Kopf gerade – und stellt der Primitivität der Folterknechte damit eine faszinierende Würde gegenüber. Aller blanken äußeren Gewalt zum Trotz können sie ihn augenscheinlich nicht brechen.

    Zur anschließenden Kreuzigung findet sich im Dominikanermuseum eine Figurengruppe aus der Werkstatt des bedeutenden Schnitzers Michel Erhart aus Ulm, entstanden um 1485/90. Sie besticht durch eine interessante Akzentsetzung sowie die starke Körperlichkeit und expressive Gestik und Mimik der Figuren.

    dsc 3716
    Zu dieser um 1485/90 entstandenen Kreuzigungsgruppe gehörten ursprünglich wohl weitere Figuren. Foto: al

    Die Versehrtheit des Gekreuzigten wird realitätsnah deutlich, zugleich strahlt er jedoch große Ruhe aus. Die Seitenwunde zeigt, dass der Tod bereits eingetreten ist – neben dem Leiden klingt in dieser Darstellung somit bereits die Überwindung des Todes an.

    Bemerkenswert sind neben den beiden übel geschundenen – und seltsam klein gestalteten –Schächern zu beiden Seiten Jesu die Figuren zu Füßen des Gekreuzigten. Es handelt sich Willi Stähle zufolge um Longinus und den römischen Hauptmann. Longinus wendet sich zum Gekreuzigten und zeigt mit eindeutiger Geste, dass ihm soeben „die Augen aufgegangen“ seien.

    dsc 3721
    Die Augen geöffnet: Symbolreiche Darstellung des Longinus in der Sammlung Dursch. Foto: al

    Dies lässt sich als Moment der Erkenntnis deuten – der Hauptmann spricht laut Markus-Evangelium aus, was Longinus verstanden haben könnte: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“ Es gibt aber auch eine Legende, wonach Longinus unter dem Kreuz wundersam von einem Augenleiden geheilt worden sei.

    Beide Bedeutungsgehalte schließen einander nicht aus. Jedenfalls ist mit dem hier eindrucksvoll dargestellten Tod Jesu der Tiefpunkt des Karfreitags erreicht.

    Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.

    Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Diskutieren Sie mit!

    Hier können Sie einen Kommentar zu unserem Artikel hinterlassen.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Beiträge

    Reinhard Sigle: Zeichen aus Holz

    Kenternde Boote, zerfetztes Holz, Späne, die Figuren werden: Mit einer starken Auswahl charakteristischer Arbeiten wird der Kunstpädagoge und Bildhauer Reinhard Sigle zu seinem Siebzigsten...

    Rottweiler Leihgaben schmücken UNESCO-Welterbe

    Mit einer spektakulären Ausstellung, die Exponate von Weltrang zeigt, wird in Konstanz gerade ein Kraftzentrum der europäischen Kultur gefeiert: die Klosterinsel Reichenau. Und mittendrin:...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Kran donnert gegen Brücke: Verkehr auf B27 bricht zusammen

    Massive Verkehrsbehinderungen - nicht durch Schneefall, sondern durch einen Mobilkran. Ein solcher blieb am Freitag an einer Brücke über die B27 bei Dotternhausen hängen.Region...

    Zollfahnder im Rathaus

    Ermittlungen wegen Schwarzarbeit haben zu einer Durchsuchung im Schramberger Rathaus geführt. Vergangene Woche waren Zollfahnder der Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit vor Ort. Dabei gehe es...

    Schramberg drohen magere Jahre

    Eine Haushaltseinbringung ohne Haushaltsrede – das geschieht äußerst selten. Die Haushaltsrede des Oberbürgermeisters oder der Oberbürgermeisterin ist eigentlich der Kern der Haushaltsberatungen. Darin legt...

    65 Jahre Reiser-Orgel in Sankt Pelagius

    Am 22. November, dem Fest der Hl. Cäcilia, jährt sich zum 65. Mal der Weihetag der Orgel in St. Pelagius. Domkapitular Karl Singer, ein...

    Sterbefälle, Geburten, Eheschließungen: die Familiennachrichten für Oktober 2024

    Hier veröffentlichen wir die uns von den Standesämtern im Landkreis Rottweil und von unseren Lesern zur Verfügung gestellten Informationen zu den Geburten, Eheschließungen und...

    Kunst verbindet

    Fünf Künstlerinnen und Künstler haben sich zusammengetan und zeigen ihre Werke in der Vorweihnachtszeit in Schramberg. Im früheren Quickschuhmarkt an der Steige haben sie...

    BBQ Projekt Integration durch Ausbildung stellt sich vor

    „Wir sind jedes Mal völlig begeistert, über die große Leistungsbereitschaft vieler Teilnehmer aus unseren Integrationskursen,“ betont das Team der Volkshochschule. In den vergangenen Jahren...

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    Das interessiert heute

    In dichter Symbolik wird an den Kar- und Ostertagen an das Leiden und Sterben Jesu erinnert. Die Kunst hat die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Bis Ostersonntag sollen Beispiele aus der bedeutenden Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt werden. Hier nun Teil Zwei: Karfreitag.

    Die Passion Christi hat im christlichen Glauben zentrale Bedeutung: Christi Tod am Kreuz erwirkt die Vergebung der Sünden und damit die Erlösung der Menschen. Die Vergegenwärtigung des Leidens und Sterbens Jesu Christi spielte in der spätmittelalterlichen Frömmigkeit, die den Bildwerken in der Sammlung Dursch zugrunde liegt, daher eine zentrale Rolle.

    dsc 3698
    Qualen, Tod, Verzweiflung: Mit ergreifender Drastik hat ein schwäbischer Meister im frühen 17. Jahrhundert die Kreuzigung dargestellt. Foto: al

    Das Gedenken an die Passion prägte nicht nur die Karwoche, sondern stand während des gesamten Jahres im Blickfeld. Emotional ergreifende, zum Mitleiden anregende Darstellungen sind daher zahlreich. Die Schilderungen der körperlichen und seelischen Qualen Jesu rufen ein breites Spektrum intensiver Gefühle auf und können auch heute noch zum Nachdenken über existenzielle Fragen anregen.

    dsc 3689
    Darstellung der Dornenkrönung in der Sammlung Dursch, entstanden Anfang des 16. Jahrhunderts. Foto: al

    Ein Beispiel dafür ist die Darstellung einer Dornenkrönung aus dem frühen 16. Jahrhundert, entstanden im schwäbischen Bodenseeraum: Fünf Gestalten bilden einen dichten Ring um Jesus. Zwei pressen mit einem querliegenden Stock die Dornenkrone auf sein Haupt, einer hält seine gebunden Hände nieder während zwei andere mit Keulen weit ausholen – man ahnt, mit welcher Gewalt sie auf den Geschundenen niedergehen.

    Alles an dieser Szene, die auch an heutige Opfer von Folter denken lässt, spricht von brutaler Gewaltanwendung und gnadenlosem Zwang. Und doch wirkt der ausweglos eingezwängte Jesus trotz allem nicht zerschlagen. Er hält Rücken und Kopf gerade – und stellt der Primitivität der Folterknechte damit eine faszinierende Würde gegenüber. Aller blanken äußeren Gewalt zum Trotz können sie ihn augenscheinlich nicht brechen.

    Zur anschließenden Kreuzigung findet sich im Dominikanermuseum eine Figurengruppe aus der Werkstatt des bedeutenden Schnitzers Michel Erhart aus Ulm, entstanden um 1485/90. Sie besticht durch eine interessante Akzentsetzung sowie die starke Körperlichkeit und expressive Gestik und Mimik der Figuren.

    dsc 3716
    Zu dieser um 1485/90 entstandenen Kreuzigungsgruppe gehörten ursprünglich wohl weitere Figuren. Foto: al

    Die Versehrtheit des Gekreuzigten wird realitätsnah deutlich, zugleich strahlt er jedoch große Ruhe aus. Die Seitenwunde zeigt, dass der Tod bereits eingetreten ist – neben dem Leiden klingt in dieser Darstellung somit bereits die Überwindung des Todes an.

    Bemerkenswert sind neben den beiden übel geschundenen – und seltsam klein gestalteten –Schächern zu beiden Seiten Jesu die Figuren zu Füßen des Gekreuzigten. Es handelt sich Willi Stähle zufolge um Longinus und den römischen Hauptmann. Longinus wendet sich zum Gekreuzigten und zeigt mit eindeutiger Geste, dass ihm soeben „die Augen aufgegangen“ seien.

    dsc 3721
    Die Augen geöffnet: Symbolreiche Darstellung des Longinus in der Sammlung Dursch. Foto: al

    Dies lässt sich als Moment der Erkenntnis deuten – der Hauptmann spricht laut Markus-Evangelium aus, was Longinus verstanden haben könnte: „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“ Es gibt aber auch eine Legende, wonach Longinus unter dem Kreuz wundersam von einem Augenleiden geheilt worden sei.

    Beide Bedeutungsgehalte schließen einander nicht aus. Jedenfalls ist mit dem hier eindrucksvoll dargestellten Tod Jesu der Tiefpunkt des Karfreitags erreicht.

    Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.

    Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.

    image_pdfArtikel als PDF speichernimage_printArtikel ausdrucken

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]

    Das interessiert diese Woche

    [adinserter name="AnzeigenImArtikelDesktop"]