Sie prägen die Landschaft mit, als stolze Zeichen von Glaube, Frömmigkeit und christlicher Tradition: Flurkreuze, die am 14. September, dem Fest Kreuzerhöhung, besonders im Blick stehen. Viele, aber nicht alle werden gut gepflegt. Ein positives Beispiel für den Umgang mit diesem historischen Erbe gibt es in Irslingen. Dort wurden jüngst vier Kreuze instandgesetzt.
Das sind vier der insgesamt 14 Kreuze auf der Gemarkung – das Friedhofskreuz nicht mitgezählt. Ihre Aufstellung erfolgte in Irslingen, ähnlich wie in vielen anderen katholischen Gemeinden der Region, häufig im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts.
Die mit Postament teils drei und mehr Meter hohen Monumente, zeugen damit von einer Zeit religiöser Neubesinnung und einem Aufschwung des Katholizismus. Sie erzählen aber auch von politischen Spannungen. Während der Kulturkämpfe stand das katholische Bekenntnis unter Druck, zumal nach der Gründung des Kaiserreichs, in dem Bismarck die Katholiken zunächst als „Reichsfeinde“ geradezu mit einem „innenpolitischen Präventivkrieg“ belegte.
Vorrangig waren die Flurkreuze, damals häufig gestiftet von traditionsbewussten Bauern, ein Bekenntnis zu Kirchentreue, zum christlichen Glauben und dessen Erlösungshoffnung. Teils waren sie Anliegen gewidmet – etwa dem Andenken Verstorbener oder dem Dank für erfahrenen Beistand in Not.
Ein Beispiel dafür bietet etwa das sogenannte „Obere Hezels Kreuz“ oder „Höhkreuz“ auf dem höchsten Punkt der Gemarkung Irslingen gelegen – mit grandiosem Panoramablick sowohl nach Osten wie nach Westen. Sein Stifter, Johannes Hezel (1843-1918), damals noch mit „t“ geschrieben, musste zwei Ehefrauen zu Grabe tragen, ihm brannte der Hof ab und fast verlor er bei einem schweren Arbeitsunfall ein Bein. Und doch stiftete er 1882 das Höh- sowie 1890 noch ein weiteres Kreuz. Und bekundete damit trotz allem ein starkes Gottvertrauen.
Jenseits individueller Motive dienten die Kreuze – den Lebensprioritäten einer landwirtschaftlich geprägten Region entsprechend – freilich auch allgemein der Bitte um gedeihliches Wetter und gute Ernte. In der Frömmigkeitspraxis spielten Flurkreuze daher auch eine gewichtige Rolle. So waren sie nicht selten das Ziel von Bitt- und anderen Prozessionen. Erhalten hat sich aus der Hochzeit dieser Praxis vielerorts die Öschprozession an Christi Himmelfahrt, die hinaus in die Flur oder zumindest an den Ortsrand führt, oder eine Einbindung in die Fronleichnams-Bräuche.
In Fall Irslingen ist die zeitliche Ballung besonders ausgeprägt: Neun der 14 Kreuze wurden in den Jahren 1875 bis 1900 errichtet, eines 1911, zwei 1943. Mit langem Abstand kam 1981 noch ein Kreuz zum Abschluss der Flurbereinigung hinzu.
Diese religiösen Zeichen, verwaltungstechnisch als schützenswerte „Kleindenkmale“ rangieren, angemessen zu erhalten, ist keine leichte Aufgabe. Selbst wenn sie in Stein und nicht in Holz gefertigt wurden, nagt der Zahn der Zeit an den Glaubenszeugnissen. Manchmal werden sie auch durch Ungeschick beschädigt.
Dann stellt sich den Nachfahren der Stifter die Frage, wie sehr sie sich dem Vermächtnis der Ahnen verpflichtet fühlen und dafür Geld ausgeben wollen. Auf vielen Kreuzen ist dokumentiert, dass spätere Generationen die Monumente erneuern ließen – vielfach sorgen die Familien sogar seit Jahrzehnten für würdige Pflege und Bepflanzung. Oder übergeben diese Aufgabe in andere Hände. So etwa beim mit einer eleganten Schmiedearbeit bekrönten Kreuzstock am Tann. Dessen Blumenschmuck hat vor gut zwei Jahren Doris Schlosser von ihrer Freundin Ulrika Schobel übernommen, die einer Leukämieerkrankung erlag.
Doch selbst, wenn es am Willen nicht fehlt: Es ist gar nicht so leicht, Handwerker zu finden, die für Flurkreuze herrichten können. „Wir mussten lange suchen, bis wir einen Steinmetz gefunden haben und dann nochmal warten, bis sich um unser Kreuz kümmern konnte“, erfuhr die NRWZ etwa von Edeltrudis Willi. Immerhin: Die Geduld wurde belohnt. Mittlerweile ist das Sandstein-Kreuz der Familie Willi am Zehntbrunnen-Wäldle, ebenso wie das gleichfalls jüngst erneuerte Martin Digeser-Kreuz am südlichen Irslinger Ortsrand, wieder schmuck hergerichtet. Aufgestellt wurde das Zehntbrunnen-Kreuz 1943 in der Hoffnung, dass zwei im Krieg verschollene Männer heimkehren würden – ein Wunsch, der sich leider nicht erfüllte.
Auch beim schon angesprochenen Höhkreuz war es schwierig, Handwerker zu finden. Im Juni 2021 konnte Pfarrer Albrecht Zepf das exzellent wiederhergestellte Kreuz jedoch schließlich segnen. Die kleine Zeremonie, an der neben Dagmar Hezel auch ihre Schwester Gudrun und ihr Bruder Norbert teilnahmen, hat sich Dagmar Hezel, wie sie im Gespräch mit der NRWZ sagte, als „besonders schöner Moment“ eingeprägt, an den sie dankbar zurückdenkt. Denn knapp zwei Monate später verstarb erst 58jährig ihr Bruder Norbert Hezel, dem das Höh-Kreuz und das Gedenken an den Urgroßvater und Stifter Johannes Hezel, so viel bedeutet hatte. Nun erinnert das Höhkreuz, das auf Irslinger Gemarkung dem Himmel am nächsten kommt, die Familie und viele im Ort stets auch an Norbert Hezel. Der immer freundlich war, ein bereichernder Gesprächspartner und so heimatverbunden wie viele Stifter der Irslinger Flurkreuze, die selbst bei Schicksalsschlägen ihr Gottvertrauen bekundeten.