Leiden, Sterben, Tod und Trauer sind durch Krieg und Gewalt, aber auch die Corona-Pandemie wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Dies wirft auch ein Licht auf das Leiden und Sterben Jesu Christi, an das an den Kar- und Ostertagen erinnert wird. Die Kunst hat die Erfahrung der Endlichkeit, aber auch der Hoffnung auf Erlösung, oft dargestellt. Von Gründonnerstag bis Ostersonntag sollen hier Beispiele aus der Sammlung Dursch des Rottweiler Dominikanermuseums gezeigt werden. Teil Eins: Jesus am Ölberg.
Zwei große Bildwerke aus der berühmten Sammlung vergegenwärtigen eindringlich das Geschehen, an das besonders an Gründonnerstag erinnert wird: Den Evangelisten Matthäus und Lukas zufolge ging Jesus mit seinen Jüngern nach dem Abendmahl an den Ölberg nahe Jerusalem, auch Garten Gethsemane genannt.
Dort spitzt sich das Geschehen dann dramatisch zu: Jesus ermahnt sie, wach zu bleiben und zu beten, während er selber sich etwas abseits begibt. Er weiß, dass er gefangen genommen wird. Von Furcht gepeinigt, tritt er in Zwiesprache mit Gott.
Aber seine Freunde sind ihm in der Not keine Unterstützung – auf beiden Schnitzwerken, einem mit Farbfassung aus dem späten 15. Jahrhundert, das sich zuletzt in Markdorf befand, und einem ohne Farbe aus dem frühen 16. Jahrhundert aus Dietingen, wird das deutlich: Von diesen Kerlen mit eingesunkenen Körpern und geschlossenen Augen ist kein Beistand zu erwarten.
Während Jesus, wie Lukas berichtet, heftig betend mit dem Tode ringt, ist er also völlig verlassen – ein Moment der Einsamkeit und Verzweiflung. Beide Schnitzwerke vergegenwärtigen diesem Tiefpunkt zwischen letztem Abendmahl und Verhaftung mit anschließendem Leiden detailreich und ausdrucksstark.
Einige Akzente sind jedoch unterschiedlich gesetzt. In der Darstellung mit erhaltener Farbfassung blickt Jesus auf einen Kelch. Den Evangelien zufolge betet er „Vater, wenn Du willst, nimm diesen Kelch von mir“. In der jüdischen Religion, in der Jesus verwurzelt ist, wird bei Trauerzeremonien aus einem gemeinsamen Kelch getrunken. Christen lässt das dargestellte Gefäß an den mess- oder Abendmahlskelch denken. Im übertragenen Sinne steht der Kelch auch für das folgende Schicksal, dem sich Jesus nicht verweigert.
Die Schar, die ihn gefangen nehmen wird, hält noch am Zaun des Gartens inne – in ihrer Mitte Judas, der Jesus verraten hat, erkennbar am Beutel mit den 30 Silberlingen, die er dafür erhalten hat. In der anderen Darstellung ohne Farbe drängen die Soldaten bereits in den Garten hinein – fast könnte man meinen, sie träten aus dem Bild heraus auf den Betrachter zu.
Hier wird deutlich, dass Jesus sogleich verhaftet wird. Hier wird der Spannungsbogen der Erzählung angezogen – und verweist auf die weitere Dynamik des Passionsgeschehens, das unmittelbar nach den Momenten der Stille und verzweifelten Einsamkeit am Ölberg einsetzt.
Info: Die in der Abteilung „Sakrale Kunst des Mittelalters“ gezeigte „Sammlung Dursch“ umfasst rund 180 Objekte aus der Zeit des späten 13. bis frühen 17. Jahrhunderts. Sie wurde ab 1836 vom späteren Rottweiler Stadtpfarrer und Dekan Johann Georg Martin Dursch (1800-1881) zusammengetragen und stellt eines der umfangreichsten und bedeutendsten Ensembles sakraler Bildwerke aus Schwaben dar. Die Sammlung birgt Hauptwerke der spätmittelalterlichen Bildhauerei, darunter zentrale Arbeiten von Hans Multscher, Michel Erhart, Niklaus Weckmann und Daniel Mauch.
Geöffnet ist das Dominikanermuseum, ein Zweigmuseum des Württembergischen Landesmuseums, dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr.