Der Hochaltar im Münster hat seine Geheimnisse

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Rottweil – Der Altar ist der zentrale Ort in einer katholischen Kirche. Um ihn versammelt sich die Gemeinde zur Feier des Gottesdienstes. Die Messe wird als ein religiöses Mahl begriffen. Seit dem II. Vaticanum zelebriert der Priester mit Blick zur Gemeinde. Wo der Altar an der Wand stand, in Heilig-Kreuz sogar mit raumabschließender Wirkung, wurde ein zweiter Altar eingebaut.

Das Münster erhielt deshalb in den 1970er Jahren einen zusätzlichen Altar, der in die Mitte des Hochchors gestellt wurde. Er erfüllte die Voraussetzungen, die in der Regel an einen Altar gestellt werden. Er besteht aus Stein, ist nicht mobil, enthält eine Reliquie und der Priester kann von hinten an den Altar herantreten und so mit Blick zur Gemeinde die Messe feiern.

Bei der letzten Renovierung des Münsters vor drei Jahren wurde dieser Altar auf eine zusätzlich eingebaute sogenannte Altarinsel gestellt, man rückte ihn noch näher zu den Gläubigen in Richtung Kirchenschiff. Da kam optisch auch der ehemalige Hochaltar mit dem großen Kruzifix wieder mehr zur Geltung.

Dieser Hochaltar im Heilig-Kreuz-Münster stammt in Teilen noch aus der spätromanischen Anfangszeit des Münsterbaus. Es handelt sich um einen sogenannten „Kastenaltar“. Dieser umschließt einen Hohlraum, in den hinein es Öffnungen gibt.  Der Rottweiler Altar hat auf der Rückseite eine große eiserne Tür und zwei vergitterte Fenster. In diesem Innenraum wurden kostbare liturgische Geräte und Gefäße, evtl. auch Reliquien, aufbewahrt.

Heilig-Kreuz besaß schon in früher Zeit einen Holzsplitter, der angeblich vom Kreuz Jesu stammen soll. Er war in einem sogenannten Ostensorium gefasst. Als dieses erneuert werden musste, gaben Pfarrer Johann Jacob Zipfheli und Bürgermeister Anastasius Gebel 1739 den Auftrag für das heutige Kreuzpartikelostensorium (den „Kreuzpartikel“).

Eine weitere Besonderheit des Altars: er hat auf der Vorderseite eine kleine Öffnung, die mit einem Stein verschlossen ist. Nimmt man den Stein heraus, sieht man eine kreisrunde Vertiefung. Darin wurde bei der Umgestaltung des Altarraums 1973 eine zierliche Urne aus Zinn gefunden. Die Öffnung, in die sie eingepasst war, ist nämlich das Reliquiengrab in einer ehemaligen Altarmensa.

Was wir als Vorderfront sehen war also einmal die Tischfläche eines früheren Altars, berichtet  Münsterpfarrer Dr. Karl Ochs in seiner handgeschriebenen Münsterchronik. Der damalige Stadtarchivar Dr. Winfried Hecht schreibt dazu in den Heimatblättern 4/1976, dass bei den Arbeiten zur Neugestaltung des Chores von Hl. Kreuz 1973 ein zweiteiliger Reliquienbehälter aus Zinn gefunden wurde, dessen zwei Teile zusammengefügt eine Kapsel bilden mit je drei Füßchen auf der Ober- und Unterseite. Die Gesamthöhe inclusive Füßchen beträgt nur 6,9 Zentimeter.

Die Kapsel stehe wohl mit der Weihe des Hochaltars im Zusammenhang, die während der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts nach Abschluss der Bauarbeiten im hochgotischen Chor der Kirche erfolgte, so Hecht.  Als Bischof Carl Joseph Leiprecht anlässlich seines Gratulationsbesuches zu seinem 25jährigen Bischofsjubiläum 1974 in Rottweil war, wollte er das Gefäß fürs Diözesanmuseum behalten. So kam die Kapsel ursprünglich nach Rottenburg.

Hecht bat aber in seiner Funktion als Stadtarchivar in einem Brief vom 1. Juli 1974 an das Bischöfliche Ordinariat darum, dass das Reliquiar seinen endgültigen Platz in Rottweil haben sollte. „Nachdem das schöne Stück 1975 aus Rottenburg zurückgekehrt war, konnte es am 26. August 1975 untersucht und photographiert werden“, schreibt Hecht. In einem Brief des Bischöflichen Ordinariats Rottenburg vom 24. Juli 1974 heißt es, „die weitere Verwendung des Reliquiars muß vom Kirchengemeinderat beschlossen und von uns genehmigt werden.“ Leider ist die kleine Kapsel derzeit aber verschollen. 

Bei der Umgestaltung des Altarraumes  war ursprünglich geplant, den Hochaltar ganz zu beseitigen. Das war zwischen dem Bischöflichen Ordinariat und dem Staatlichen Amt für Denkmalspflege in Tübingen so abgesprochen. Man wollte so mehr Platz für den damals sehr großen Chor der Münstersängerknaben schaffen, schreibt Dr. Ochs. Das große Kruzifix sollte frei im Chorraum aufgehängt werden.

Als aber am 1. Januar 1973 Rottweil zum Regierungspräsidium Freiburg kam, war nun das Denkmalamt Freiburg zuständig. Und dort plädierten Dr. Peter Schmidt-Thomé und Landeskonservator Franz Meckes dafür, „den alten gotischen Altar, einen sog. „Kastenaltar“ mit Türe und Raum zum Aufbewahren von Kultgegenständen, der nur noch selten zu finden sei, unbedingt zu erhalten“. Die Mensa des Altares sei ein prächtiges ungewöhnlich großes Stück, das nach einhelligem Urteil aller Fachleute noch aus der alten gotischen Zeit stammt und in bestem Zustand erhalten ist.

Eine Marmorverkleidung und Gusstafeln (Abendmahl und Opfer des Melchisedech) auf der Vorderseite wurden abgenommen. Eine  zwischen Mensa und Unterbau eingesetzte Schicht von ca. 12 cm wurde entfernt. Bildhauer Kraus aus Tübingen hat ein neues Profil im gotischen Stil eingesetzt und so hat der Altar wieder seine alte gotische Form und ist im ursprünglichen Zustand erhalten.

Das große Kruzifix wurde hinter den Altar gestellt und steht nun im Blickpunkt des Chores. Es wurde aber an der Rückseite des Kastenaltars befestigt und versperrt so den Zugang ins Innere des Altars. Auf der Suche nach dem Reliquiar wurde durch die vergitterten Fenster auch ins Innere des Kastenaltars geschaut. Sie sind zusätzlich von innen mit einer Eisenplatte verstellt , die aber kleine Löcher hat. Mit einem Endoskop wurde der Innenraum untersucht. Dabei kam ein einzelner Kerzenleuchter zum Vorschein.

Josua Magnus Reuter konnte durch das Gitter greifen und durch eines der Löcher  mit dem Smartphone ein Foto vom Innenraum mit dem Kerzenleuchter machen. Schon bei Grabungen 1912/14 wurde unmittelbar vor den Stufen des Altars ein als „überwölbtes Grab“ bezeichnetes Bauwerk freigelegt. Dr. Ochs schreibt in der Chronik, dass bei der Tieferlegung des Bodens im Chorraum ein Kellergewölbe freigelegt worden sei. Die auf mittelalterlichen Ursprung geschätzte Krypta enthielt einen Stapel menschlicher Gebeine und ein Amulett.

Das Gewölbe schien für die Archäologen des Denkmalamts aber wissenschaftlich nicht interessant gewesen zu sein und wurde mit dem neuen Boden überbaut. Grabungsprotokolle aus früherer Zeit noch sonst eine schriftliche Dokumentation der Untersuchungen sind nicht bekannt.  Man weiß nicht, wie diese Hohlräume verfüllt wurden.             

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