„Celica Flamma venit“ – ist der Titel des Bildes zu Pfingsten im Rottweiler Heilig-Kreuz-Münster. Ein Engel hält diese Inschrift auf einem Spruchband. Er schwebt als bekrönende Gestalt im Spitzbogen des gotischen Fensters. Die neugotische Glasmalerei von 1841/43 befindet sich im südlichen Chorraum hoch oben und ist vom Mittelschiff aus nicht zu sehen.
Die Darstellung orientiert sich an Bildwerken aus der Gotik des 16. Jahrhunderts. Reich geschmückte Baldachine mit Spitzbogen, Fialen und feinen Säulchen ergeben eine architektonische Rahmung, die einen spätgotischen Raum andeutet, in dem sich Maria, die Mutter Jesu, und die Apostel versammelt haben. Illustriert wird hier, was nach der Himmelfahrt Jesu geschah und uns in der Apostelgeschichte überliefert wird:
„Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg genannt wird und nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und (…) Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (…)Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg 1,12-14; 2,1-4)
Maria ist im Zentrum des Bildes dargestellt als einzige Frau , wie es auch viele andere Pfingst-Darstellungen zeigen. Sie ist mit einem himmelblau leuchtenden Mantel bekleidet. Blau ist eine der wesentlichen Marien-Farben und kennzeichnet Maria als Mutter dessen, der „vom Himmel herab gekommen ist“, des Sohnes Gottes. Blau drückt also ihre Verbundenheit mit Jesus aus. Das grüne Mantel-Futter verweist auf das neue Leben aus dem Glauben, auf die Hoffnung und kündet vom Erbarmen Gottes. Das helle Rot ihres Kleides nimmt Bezug auf die Liebe von Gott, der sie erwählt hat, und auf ihre Liebe zu Gott. Ein weißer Schleier bedeckt ihre langen, offenen Haare. Weiß ist Zeichen ihrer Reinheit, zugleich auch Farbe des göttlichen Lichtes, die Farbe der Gott-Geweihten.
Über Maria schwebt die Taube mit Strahlenkranz als Symbol des Heiligen Geistes. Im biblischen Bericht über Pfingsten wird das Zeichen der Taube nicht erwähnt. Aber an anderen Stellen der Bibel. In allen vier Evangelien wird berichtet, dass bei der Taufe Jesu der Heilige Geist „in Gestalt einer Taube“ auf Jesus herabgekommen sei. Auf vielen Bildwerken erscheint deshalb eine Taube als Symbol für den Heiligen Geist. Im Rottweiler Heilig-Kreuz-Münster sind Heilig-Geist-Tauben mehrfach zu finden, zum Beispiel gerade im Fenster mit der Darstellung der Taufe Jesu und an der Unterseite des Schalldeckels über der Kanzel vor einem strahlend blauen Himmel. Die Kanzel war der Ort für die Predigt, bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Über dem Prediger verweist diese Taube des Heiligen Geistes auf die Hoffnung, dass seine Worte „voll des Heiligen Geistes“ sein mögen. Eine Besonderheit zeigt diese Taube: sie trägt eine Hostie im Schnabel und verweist dadurch auf die Eucharistie, das Abendmahl.
Über jeder der dargestellten Personen erscheint eine kleine Feuerflamme, wie in der Bibel berichtet wird. In Haltung und Kleidung sind die Apostel und Maria recht unterschiedlich gezeigt. Die Hände sind bei einigen wie zum Gebet gefaltet. Bei anderen sind die Hände über der Brust gekreuzt zum Zeichen der Hingabe und des Vertrauens, eine Geste aus der orientalisch-byzantinischen Kirche. Maria ist in diesem Glasbild wohl stellvertretend zu verstehen für die anderen anwesenden Frauen, die in der Apostelgeschichte beim Pfingst-Ereignis erwähnt werden.
Im Vordergrund links ist ein Evangelist zu sehen, an einem Buch erkenntlich, das er in Händen hält. Sein leuchtend roter Mantel findet bei einem anderen Evangelisten, ebenfalls mit Buch, auf der rechten Seite im Hintergrund einen Gegenpol in der Farb-Komposition. Der Apostel Petrus, rechts im Vordergrund, ist mit zwei großen Schlüsseln gekennzeichnet. Ihm hat Jesus die „Schlüssel des Himmelreiches“ (Matthäus- Evangelium 16, 19) anvertraut.
Vom Heiligen Geist erfüllte Jüngerinnen und Jünger fassten nach dem Pfingst-Ereignis Mut zur Verkündigung der Frohen Botschaft von Jesus Christus, sie gingen hinaus in alle Welt und predigten in allen Sprachen. So wird es in der Apostelgeschichte berichtet. Auf alle, die in späteren Zeiten diese Botschaft verkündeten, nehmen die kleinen Figuren Bezug, die unter Baldachinen in die Architektur rechts und links eingefügt sind.
Es sind die abendländischen Kirchenlehrer : links unten steht Augustinus, der im 4. Jahrhundert als Bischof in Hippo/ Nordafrika wirkte, mit einer Schreibfeder in der Hand und mit flammendem Herz zum Zeichen für seine innige Liebe zu Gott und für seine flammende Predigt. Darüber steht Ambrosius, Bischof von Mailand im 4. Jh. und Lehrer von Augustinus. Ein Bienenkorb ist sein Attribut wegen seiner „honigfließenden“ Predigten. Rechts oben ist Papst Gregor der Große/ 6. Jh. mit der päpstlichen Krone, der Tiara, zu sehen.
Er blickt auf zur Taube des Heiligen Geistes im Strahlenkranz, Zeichen seiner Inspiration. Unter ihm steht Hieronymus/ 4. Jh. mit Kardinalshut, obwohl er die Ernennung zum Kardinal abgelehnt hat. Ein Löwe sitzt zu seinen Füßen. Die Löwenlegende erzählt, wie ein hinkender Löwe die Mönche in die Flucht jagte, Hieronymus ihm aber einen Dorn aus der Tatze zog und die Wunde pflegte, worauf der geheilte Löwe als Haustier bei ihm blieb. Hieronymus übersetzte die Bibel ins Lateinische.
Seine Übersetzung, die „Vulgata“, ist bis heute gültig. Auf vielfältige Weise haben diese Persönlichkeiten zur Verbreitung und Festigung des christlichen Glaubens beigetragen. Ihr Beispiel und das Wirken aller, die die Kraft des Heiligen Geistes empfangen haben, ist bis heute Vorbild für den missionarischen Auftrag der Kirche, für alle Christinnen und Christen. Pfingsten gilt deshalb als „Geburtstag der Kirche“.