Auf der Fahne blieb angeblich nur ein Esel

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An Fronleichnam haben sie wieder einen großen Auftritt: Die Kirchen- und Zunftfahnen, die immer wieder auch den Glanz der Reichstadt-Tradition aufleuchten lassen. Mit den stolzen Symbolen verbindet sich freilich auch eine zum Schmunzeln einladende kuriose Erzählung.

Übermittelt wird sie über verschiedene Quellen als eine der „Lalenburger Anekdoten“ – eine Sammlung von Schwänken oder Volksschnurren, die in Stil und Stoßrichtung ähnlich gestrickt sind wie die wesentlich bekannteren Geschichten über die sprichwörtlichen Schildbürger.

Dort wird berichtet, dass ein durchreisender Malergeselle den Rottweilern einen Streich gespielt habe. Sie hatten ihn beauftragt, auf einer Kirchenfahne das Motiv der Flucht nach Ägypten darzustellen. Also die im Matthäusevangelium überlieferte Erzählung zur Kindheit Jesu, wonach ein Engel Josef im Traum erschein und ihn aufforderte, mit Maria und Jesus nach Ägypten zu eilen, da Herodes das Kind töten wolle.

Kirchen-Fahnen bei der Fronleichnams-Prozession 2010. Archiv-Foto: al

Der Malergeselle führte den Auftrag aus. Aber da die Rottweiler offenbar die Bezahlung hinauszögerten, revanchierte er sich, indem er schon während dem Malen einen Trick einbaute: Er bannte nur den Esel in Öl auf die Fahne – und alles andere mit Wasserfarben. Man ahnt es: Nach einem Regenguss blieb der Anekdote zufolge für die genasführten Rottweiler nur der Esel auf dem Fahnenbild übrig.

Historisch belegen lässt sich der behauptete Vorgang nicht. Auch wird keine Jahreszahl genannt, wann sich dies zugetragen haben soll. Aber um einen engen Wahrheitsgehalt im Sinne penibler Faktentreue geht es bei dieser Art von Geschichten gar nicht. Vielmehr sollen andere Botschaften vermittelt und veranschaulicht werden.

So transportiert der Schwank eine Mahnung, Vertragspartner nicht zu unterschätzen und Abmachungen fair einzuhalten. Besonders illustriert die Anekdote, dass man Künstler und deren Arbeit ernst nehmen und hochschätzen soll. Denn ansonsten, so die Moral dieser Mär, rächt sich der Mangel an Respekt. Nicht zuletzt reiht sich die Anekdote in den Kreis von Geschichten ein, wie die Rottweiler zum Beinamen „Esel“ oder „Stadtesel“ gekommen sein könnten.

Der Rottweiler Adler prangt auf dieser Zunftfahne auf Goldgrund (fotografiert 2010). Archiv-Foto: al

Jenseits des Humoristischen sollte die Bedeutung von Fahnen nicht unterschätzt werden. Sie stellen in vielen Kulturen wichtige Identifikationssymbole dar. Für liturgische Zwecke sind Fahnen im lateinischen Christentum seit dem 10. Jahrhundert gebräuchlich.

In der Rottweiler Historie ragt eine Fahne übrigens besonders heraus: Ein prachtvolles „Juliusbanner“. Es wurde den Rottweilern 1512 für tapfere Dienste im „Großen Pavier-Feldzug“ in Oberitalien vom Papst verliehen – wie auch Einheiten der Alten Eidgenossenschaft, mit der die Stadt seit 1463 verbündet war, und an deren Seite die Rottweiler dort wacker gekämpft hatten.

Der Wert dieser Fahnen lag weniger in der kostbaren Damastseide, aus der sie gefertigt war. Vielmehr waren sie ein Dankes-Zeichen des Oberhaupts der Kirche und brachten den   Empfängern damit enormes Prestige – zumal diese auch noch mit dem Ehrentitel „Ecclesiasticae libertatis defensores“, also „Verteidiger der kirchlichen Freiheit“ ausgezeichnet wurden.

Abschließende Ehrerbietung für das Allerheiligste beim Segen – fotografiert 2010. Archiv-Foto: al

Das Rottweiler Juliusbanner, dessen Verleihung erst Winfried Hecht 1973 sicher nachweisen konnte, hat sich leider nicht erhalten. Und es gibt auch keine Hinweise, dass bei der Bemalung mit religiösen Motiven wie von dem zu Scherzen aufgelegten Malergesellen aus der Lalenburger Anekdote getrickst worden wäre.

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Stefan Weidle
Stefan Weidle
2 Jahre her

Ich sehe auf den ganzen Bildern der letzten Wochen, sei es in der Kirche oder bei den Prozessionen, nirgends so recht die Frauen. Vielleicht vereinzelt und generell eher hinten im Tross. Also nicht Vorne, wo es besonders allerheiligst, würdigst und Fähnchen verziert ist. Dürfen die im Katholizismus nur Blumenteppich, Chor, oder als Ministrantin den letzten leider schon wieder 18 gewordenen Kerl ablösen?
Irgendwie sind die Frauen im Katholischen scheinbar immer nur dort zu finden, wo noch geschafft werden muss, aber nie dort, wo die eigentliche „Musik“ spielt.
Also nicht da, wo die tatsächlich Wichtigen, also die Jungs, sich mit Ornat und Fähnchen präsentieren.
Also ich frag ja nur, weil im Artikel kurz von „Respekt“ die Rede war und ich Solcherlei heutzutage ziemlich „spooky“ finde.

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An Fronleichnam haben sie wieder einen großen Auftritt: Die Kirchen- und Zunftfahnen, die immer wieder auch den Glanz der Reichstadt-Tradition aufleuchten lassen. Mit den stolzen Symbolen verbindet sich freilich auch eine zum Schmunzeln einladende kuriose Erzählung.

Übermittelt wird sie über verschiedene Quellen als eine der „Lalenburger Anekdoten“ – eine Sammlung von Schwänken oder Volksschnurren, die in Stil und Stoßrichtung ähnlich gestrickt sind wie die wesentlich bekannteren Geschichten über die sprichwörtlichen Schildbürger.

Dort wird berichtet, dass ein durchreisender Malergeselle den Rottweilern einen Streich gespielt habe. Sie hatten ihn beauftragt, auf einer Kirchenfahne das Motiv der Flucht nach Ägypten darzustellen. Also die im Matthäusevangelium überlieferte Erzählung zur Kindheit Jesu, wonach ein Engel Josef im Traum erschein und ihn aufforderte, mit Maria und Jesus nach Ägypten zu eilen, da Herodes das Kind töten wolle.

Kirchen-Fahnen bei der Fronleichnams-Prozession 2010. Archiv-Foto: al

Der Malergeselle führte den Auftrag aus. Aber da die Rottweiler offenbar die Bezahlung hinauszögerten, revanchierte er sich, indem er schon während dem Malen einen Trick einbaute: Er bannte nur den Esel in Öl auf die Fahne – und alles andere mit Wasserfarben. Man ahnt es: Nach einem Regenguss blieb der Anekdote zufolge für die genasführten Rottweiler nur der Esel auf dem Fahnenbild übrig.

Historisch belegen lässt sich der behauptete Vorgang nicht. Auch wird keine Jahreszahl genannt, wann sich dies zugetragen haben soll. Aber um einen engen Wahrheitsgehalt im Sinne penibler Faktentreue geht es bei dieser Art von Geschichten gar nicht. Vielmehr sollen andere Botschaften vermittelt und veranschaulicht werden.

So transportiert der Schwank eine Mahnung, Vertragspartner nicht zu unterschätzen und Abmachungen fair einzuhalten. Besonders illustriert die Anekdote, dass man Künstler und deren Arbeit ernst nehmen und hochschätzen soll. Denn ansonsten, so die Moral dieser Mär, rächt sich der Mangel an Respekt. Nicht zuletzt reiht sich die Anekdote in den Kreis von Geschichten ein, wie die Rottweiler zum Beinamen „Esel“ oder „Stadtesel“ gekommen sein könnten.

Der Rottweiler Adler prangt auf dieser Zunftfahne auf Goldgrund (fotografiert 2010). Archiv-Foto: al

Jenseits des Humoristischen sollte die Bedeutung von Fahnen nicht unterschätzt werden. Sie stellen in vielen Kulturen wichtige Identifikationssymbole dar. Für liturgische Zwecke sind Fahnen im lateinischen Christentum seit dem 10. Jahrhundert gebräuchlich.

In der Rottweiler Historie ragt eine Fahne übrigens besonders heraus: Ein prachtvolles „Juliusbanner“. Es wurde den Rottweilern 1512 für tapfere Dienste im „Großen Pavier-Feldzug“ in Oberitalien vom Papst verliehen – wie auch Einheiten der Alten Eidgenossenschaft, mit der die Stadt seit 1463 verbündet war, und an deren Seite die Rottweiler dort wacker gekämpft hatten.

Der Wert dieser Fahnen lag weniger in der kostbaren Damastseide, aus der sie gefertigt war. Vielmehr waren sie ein Dankes-Zeichen des Oberhaupts der Kirche und brachten den   Empfängern damit enormes Prestige – zumal diese auch noch mit dem Ehrentitel „Ecclesiasticae libertatis defensores“, also „Verteidiger der kirchlichen Freiheit“ ausgezeichnet wurden.

Abschließende Ehrerbietung für das Allerheiligste beim Segen – fotografiert 2010. Archiv-Foto: al

Das Rottweiler Juliusbanner, dessen Verleihung erst Winfried Hecht 1973 sicher nachweisen konnte, hat sich leider nicht erhalten. Und es gibt auch keine Hinweise, dass bei der Bemalung mit religiösen Motiven wie von dem zu Scherzen aufgelegten Malergesellen aus der Lalenburger Anekdote getrickst worden wäre.

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