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Von einem Senior, einer Apothekerin, dem schwedischen Königshaus – und einem vertagten Prozess

Er nennt sich nach einem amerikanischen Sportwagenmodell, fühlt sich von Polizei und Justiz missverstanden und von seinem Anwalt ungerecht behandelt. Er wendet sich in seiner so empfundenen Not an das Königshaus Schweden ebenso wie an die Bundesanwaltskammer. Sein E-Mail-Verteiler bezieht die hessische, die Bremer und die rheinland-pfälzische Polizei ebenso ein wie die NRWZ. Der Mann kommt aus Rottweil, am Montag sollte er sich vor dem Amtsgericht verantworten – wegen Nachstellung. Ihm hat es eine Apothekerin angetan. Was sich so nett liest, ist für die Frau offenbar seit Jahren alles andere als ein Witz. Der Prozess wurde verschoben.

Der Mann, nennen wir ihn Paul Vogel, ist polizeibekannt, wie man so schön sagt. So ermittelte die Rottweiler Polizei schon gegen ihn wegen Beleidigung, so bestehen auch bereits Strafbefehle. Online, in den sozialen Medien, hatte er die Staatsanwaltschaft und die Polizei Rottweil nach deren Angaben als „Mafia“ bezeichnet, einer Richterin persönlich „kriminelle Machenschaften“ vorgeworfen. Dinge, die die Ermittlungsbehörden nicht auf sich sitzen lassen wollen.

Der Mann will wiederum das nicht einsehen: Im Gegenzug erstattet er „Strafanzeige gegen diese beteiligten Polizei- und Justizbeamten“. Und er erklärt: „Das wird zwar von den zuständigen Behörden in Stuttgart ignoriert, weil die übergeordneten Behörden nichts gegen die Straftaten in den eigenen Reihen unternehmen, aber es ist sehr wichtig, dass diese bestehenden Tatsachen auch in den anderen Bundesländern bekannt werden.“

Schon früher hat er sich an Polizeistellen in anderen Bundesländern gewandt, weil Vogel glaubt, vor allem von einem leitenden Beamten des Rottweiler Reviers ungerecht behandelt worden zu sein. Vom Polizeipräsidium Rheinpfalz mit Sitz in Ludwigshafen am Rhein bekam Vogel daraufhin Antwort: „Wir haben Ihre Nachrichten erhalten“, steht da. Und: „Nach Sichtung Ihrer Nachrichten können wir aktuell keine strafrechtlichen Inhalte identifizieren.“

Lustig: Paul Vogel registriert das als Nachweis, er habe nichts verbrochen – was ganz offenbar nicht so gemeint war. Damals standen neben der Presseabteilung des Königshauses Schweden unter anderem auch die Polizei Hamburg, Bayern und Hessen, das Bundeskriminalamt, das Bundesjustizministerium, die Süddeutsche Zeitung und die Landespolizei Österreich auf Vogels Verteiler. Er mag es groß. Und dennoch ist er der Überzeugung, dass sich so ziemlich alle gegen ihn verschworen haben.

Kleine Rente, großes Interesse

Rückblick: Der arbeitslose Industriemechaniker Vogel, er wird in wenigen Jahren 70, stellt seit langem einer Apothekerin nach. Am 11. November 2022, auf den Tag genau vor zwei Jahren, wird Vogel bereits wegen Nachstellung zum Nachteil der Apothekerin verurteilt. Es ergeht ein Strafbefehl des Amtsgerichts Rottweil, weil er die Frau wiederholt belästigt hat. Nach eigenen Angaben kostet ihn das 1181 Euro. Dennoch macht er weiter, so die Auffassung der Ermittlungsbehörden. Im September 2024 ergeht daher ein erneuter Strafbefehl gegen Vogel. Denn „die Verurteilung hielt Sie nicht von weiteren ähnlich gelagerten belästigenden Handlungen“ gegenüber der Apothekerin ab, wie es im Strafbefehl des Amtsgerichts heißt. Woher die NRWZ das alles weiß? Vogel selbst schickt Fotos der Dokumente in der Weltgeschichte herum, immer unter einem Account, der nach einem amerikanischen Sportwagen benannt ist.

Die Mails gehen nach Schweden, Hamburg und Bayern und bis nach Österreich, etwa. Immer gibt er den Unverstandenen, den Übervorteilten, gibt sich zudem rechthaberisch. So kann aus seiner Sicht ein Urteil einer Rottweiler Richterin nur auf einer engen Zusammenarbeit zwischen den örtlichen Strafverfolgungsbehörden gründen. Im Sinne von „Die stecken alle unter einer Decke“. Auch ein leitender Rottweiler Polizeibeamter habe nichts anderes im Sinne, als die Apothekerin, mit der er privat bekannt sei, zu protegieren. Alle gegen ihn, Paul Vogel, so scheint’s.

Apothekerin fühlt sich belästigt und „extrem unwohl“

Über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren – von Januar 2023 bis Ende Mai 2024 – hat Vogel dem zweiten Strafbefehl zufolge die Apothekerin online auf seinem Instagram- und seinem Facebook-Profil belästigt, indem er wiederholt ein Foto von ihr veröffentlichte und sie mit verschiedenen Kommentaren verunglimpfte. „Durch Ihr Verhalten wollten Sie erreichen, dass die Leser Ihrer öffentlichen Kommentare Kontakt zur Geschädigten … aufnahmen, was Ihnen auch in zahlreichen Fällen gelang“, so das Amtsgericht. Das habe die Geschädigte, die Apothekerin, „in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigt“. Und sie habe sich vor allem deshalb „extrem unwohl“ gefühlt, weil ihr Stalker Vogel sich nicht durch den ersten Strafbefehl von seinem Treiben abbringen ließ. In der Folge sah sie sich Nachfragen von Kunden der Apotheke wie auch von Bekannten immer wieder unangenehmen Nachfragen ausgesetzt. Zu privaten und höchstpersönlichen Dingen. Persönlich, per E-Mail oder gar telefonisch.

Ein zweiter Strafbefehl sollte dem Treiben endgültig Einhalt gebieten, aber auf Intervention Vogels sollte es am Montagmittag nun zur Verhandlung kommen. In den Stunden davor beschäftigt sich der Senior derweil mit einem Stuttgarter Anwalt, der bereits für ihn tätig geworden war und just jetzt sein Honorar einfordert. „Sie überschreiten konsequent und andauernd rote Linien. Es scheint Ihnen nicht möglich, sich zusammenzureißen und anständig zu benehmen“, schreibt der Jurist am Montagmorgen an Vogel. Und ergänzt: „Ihre beleidigenden und immer wieder herablassenden Äußerungen werden wir konsequent verfolgen.“

Streit mit Stuttgarter Anwalt

Es kristallisiert sich heraus: Der Betreiber einer Apotheke, in der die zwischenzeitlich von Vogel Angebetete gearbeitet hat, hat einen Unterlassungsanspruch gegen den Senior durchgesetzt. Was dieser im Anschluss nicht versteht, ist, dass er nun auch für die Anwaltskosten des Apothekers aufkommen soll. Der Stuttgarter Anwalt, der ihn längst nicht mehr vertritt, erklärt dazu: „Dass Sie juristische Sachverhalte kognitiv nicht erfassen können, erwarten wir bei Ihnen schon von vornherein nicht.“ Rumms. Inzwischen ist dem Senior ein Pflichtverteidiger gestellt worden.

Natürlich bindet Vogel in seine Auseinandersetzung mit dem Anwalt wieder die Polizei Baden-Württemberg, die Polizei Brandenburg, Anwaltskammern auf bundesdeutscher und europäischer Ebene, das Innenministerium Baden-Württemberg und das Königshaus Schweden ein. „Damit sie auch erfahren“, wie er schreibt, welche Mitteilungen er so bekommt. Es folgt erneut eine kleine Flut an E-Mails. Den Anwalt, der sein Honorar will, bezichtigt er darin etwa der Nötigung und der Erpressung, was Vogel weiteres Ungemach einbringen dürfte.

Halb Europa weiß Bescheid

Immer wieder verweist der Senior auf seine knappe Rente von 990,65 Euro monatlich. Es versteht sich von selbst: Auch hierüber gibt er halb Europa in Form seines Rentenbescheids gerne Auskunft. Nunmehr mit im Verteiler: die hessische, die Bremer, die Ludwigshafener und die Polizei Baden-Württemberg. Ein System ist hier nicht zu erkennen – außer, dass das Königshaus Schweden durchgehend Anteil an allen digitalen Einlassungen Vogels zu haben scheint. Und die NRWZ, hurra.

Nur wenige Stunden nach diesem neuerlichen E-Mail-Gewitter sollte er vor Gericht stehen, in Saal 31 des Rottweiler Amtsgerichts. Eineinhalb Stunden waren für seinen Prozess vorgesehen. Der Sachverhalt scheint offenzuliegen. Doch zu dem Prozess kam es nicht, Absage nur wenige Stunden zuvor. Einer der Prozessbeteiligten sei verhindert, hieß es auf Nachfrage der NRWZ.

Vogel selbst schien nicht verhindert, er schreibt weiter eifrig E-Mails.

 

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