Reichtum der Vielfalt zum Strahlen gebracht: Auszeichnung für Bernhard Rüth

Zukunft braucht Herkunft: auf diese griffige Formel hat der Philosoph Odo Marquard gebracht, dass Menschen und Gemeinschaften ohne Wurzeln nicht gedeihen können. In diesem Sinne hat der langjährige Leiter des Bereichs Archiv, Kultur, Tourismus beim Landratsamt Rottweil, Bernhard Rüth, erfreulich viel Zukunft ermöglicht. Nun wird er mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Diesen Samstag wird es ihm von Landrat Dr. Wolf-Rüdiger Michel übergeben. Bernhard Rüth blickt darauf, auch Wochen nachdem er es erfahren hat, immer noch mit einem gewissen Staunen, wie im Gespräch mit der NRWZ deutlich wird.
Nicht nur, dass die hohe Würdigung im Kulturbereich selten vergeben wird. Auch wurde die Verleihung nicht aus dem beruflichen Umfeld vorgeschlagen, sondern von einem Beobachter im Raum Stuttgart.
Vielleicht braucht es einen solchen Abstand. Vielleicht kann mit etwas Distanz besser erkennen, was Bernhard Rüth – ohne dauernd im Rampenlicht zu stehen – mit Weitblick und enormer Tatkraft geleistet hat, seit er 1989 die Leitung des Archiv- und Kulturamts übernahm. In Nachfolge von Egon Rieble, dessen Wirken als erster Kulturbeauftragter des Landkreises Bernhard Rüth schätzt.
An Riebles von kunstliebender Begeisterungsfähigkeit getragener Pionierarbeit knüpfte der studierte Germanist und Historiker an. Nicht weniger für die Sache glühend, aber auch mit Systematik und Beharrlichkeit. Nach wie vor galt es damals, die Identitätsfindung des 1973 bei der zweiten Kreisreform geschaffenen heutigen Landkreises Rottweil voranzubringen.
Denn dieser war, historisch gesehen, ein recht eigentümliches Gebilde ohne ideellen Zusammenhang. Mit politisch-technokratischer Kühnheit hatte man alt- und neuwürttembergische Gebiete (teils mit Reichstadt-Vergangenheit) mit, wie Bernhard Rüth schmunzelnd formuliert, „einem bisschen Baden und einer Prise Hohenzollern-Preußen“ zusammengeschnürt: ein Dreiländerkreis an einer Nahtstelle des Südweststaats.
Wo andernorts mit Modernisierungseuphorie Unterschiede weggebügelt und das Neue als einzig Gültiges inszeniert wurden, setzte Rüth andere Akzente: „Mir ging es darum, die Vielfalt hier zu zeigen“, erläutert er. Darum, sichtbar zu machen und zu würdigen, welche Kulturräume und Traditionen im Kreisgebiet versammelt sind.
Denn im reichhaltigen Spektrum erkannte Rüth von Beginn an einen großen Schatz – und zwar ebenfalls dank eines hilfreichen Abstands: Aus Heidenheim stammend, aus einem geschlossen württembergischen Kreis, hatte er eine weniger facettenreiche Konstellation als Vergleich vor Augen.
Um die Breite des Erbes und die nicht selten überregional bedeutenden Schätze dauerhaft ins Bewusstsein zu bringen, initiierte und ermöglichte er zahlreiche Projekte – von historischen Ausstellungen und künstlerischen Reihen, über eigens aufgesetzte Forschungen wie einem Dialekt-Atlas des Kreises bis zu Dokumentationen der Denkmal-Landschaft – allesamt Werke von hoher Qualität und dauerhafter Gültigkeit.
Darüber hinaus baute Rüth in der Kultur, die er immer als Gestaltungs- nicht nur als Verwaltungsaufgabe sah, Strukturen auf und startete etliche Gründungsinitiativen. Als Virtuose der Vernetzung und durch beharrliches Werben um politische Akzeptanz, für die er auch dankbar ist, gelang es ihm, profilierte Institutionen auf den Weg zu bringen – beispielsweise das Kultur- und Museumszentrum (KMZ) Schloss Glatt.
Dass sich dieses zu einem regelrechten Schaufenster des Kulturraums oberer Neckar gemausert hat, sieht Rüth mit Freude. Nicht von ungefähr hat er dort seine abschließende Ausstellung „21 mal 3“ gezeigt, bei dem er den Landkreis zum 50. „Geburtstag“ als Mosaik von Identitäten strahlen ließ – eine überaus sehenswerte Schau, die sich auch als Bilanz von Bernhard Rüths Wirken lesen ließ.
Die historisch-kulturgeschichtliche Bildungsarbeit war freilich nicht sein einziges Herzensthema. Auch die Förderung der Gegenwartskunst hatte für Rüth einen hohen Stellenwert – hier konnte er in einer seiner Mehrfach-Rollen als Kulturbeauftragter der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke einiges bewirken.
Hohe Priorität legte er zudem auf die Musikförderung auf Kreisebene, die etwa zum Konzertverbund „Dreiklang“ und zu den Opernfestspielen Schloss Glatt führte, ebenso wie die gemeinsam mit Sven Gnass angestoßene Gründung der Opernfestspiele Schloss Glatt. Und als besonderen Gewinn sieht er, dass er in einer bürgerschaftlichen Initiative mit der Jugendkunstschule „Kreisel“ eine vitale Plattform für ästhetische Bildungsarbeit schaffen konnte – dezentral im Kreisgebiet.
Auch wenn er den Eindruck macht, er könnte er noch so manches Projekt mit dem ihm eigenen Elan aufs Gleis setzen: Bernhard Rüth blickt mit großer Zufriedenheit auf sein ertragreiches, ein Dritteljahrhundert umfassendes Berufsleben zurück. Und genießt mittlerweile einen nicht allzu ruhigen Ruhestand, in dem er manche Themen weiterverfolgt, etwa um einen Aufsatz darüber zu verfassen – aber sich auch „zufrieden, froh und glücklich“ Zeit nimmt für Hobbies wie Gärtnern, Wandern und Reisen.
Mit viel Sympathie schaut er nicht zuletzt auf die Arbeit seines seit April 2023 tätigen Nachfolgers Johannes Waldschütz. Der die Kulturarbeit des Landkreises mit Projekten wie „AllerLand“ strategisch klug weiterentwickelt – freilich aufbauend auf die tragfähigen, vitalen Strukturen, die Bernhard Rüth geschaffen hat. Und im Bewusstsein, dass auch in sich wandelnden Konstellationen mehr denn je gilt, dass Zukunft Herkunft braucht.