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Corona: „Unsere Tochter ist kein Impfopfer“

Im Internet kursiert das Gerücht, eine junge Frau aus dem Raum Schramberg sei gegen Corona „ein drittes Mal geimpft“ worden und „direkt nach der Impfung verstorben“. Auf demselben Telegram-Kanal korrigiert eine andere Userin: die junge Frau sei nur einmal geimpft worden und sei sofort danach krank geworden. „Hat nun über ein Jahr gelitten und niemand konnte ihr mehr helfen“.

Was ist dran an dieser Geschichte?  Tatsache ist, eine junge Frau ist Mitte August tatsächlich  gestorben. Und sie hatte eine Impfung gegen Corona erhalten. „Sie ist aber nicht an der Impfung gestorben“, versichert ihr Vater im Gespräch mit der NRWZ. (Zum Schutz ihrer Angehörigen nennen wir weder den Namen,  den Ort noch das genaue Alter der Verstorbenen.)

Autoimmunerkrankung führte zum Tod

Die Tochter habe eine Autoimmunerkrankung im Körper gehabt, von der sie nichts wusste. Sie litt unter Dermatomyositis, einer sehr seltenen und noch wenig erforschten Haut- und Muskel-Krankheit, wie ihre Mutter ergänzt. Sie habe keine Vorerkrankungen gehabt, versichert sie. „Sie war eine gesunde junge Frau.“

Anfang Juli 2021 habe sie sich mit dem Biontec-Wirkstoff impfen lassen. Anfang August sei sie dann krank geworden. Die Impfung, so vermuteten es ihre Ärzte, habe diese schlummernde Krankheit bei ihr ausgelöst oder „getriggert“.

Die junge Frau sei früher schon „gegen alles Mögliche“ geimpft worden, ohne weitere Folgen, berichtet der Vater. Sie habe auch schon Corona gehabt und gut überstanden. Doch aus irgendeinem Grund hat dann möglicherweise die Impfung gegen Covid-19 die bereits bestehende Autoimmunerkrankung ausgelöst. Entgegen den Behauptungen im Netz versichert ihr Vater: „Sie ist kein Impfopfer.“

Viele Ursachen als Krankheitsauslöser

Der pensionierte Facharzt für Innere Medizin, Dr. Detlev Kügler, weist darauf hin, dass es hunderte von Ursachen gebe, die eine Autoimmunerkrankung auslösen können. Infektionen beispielsweise, aber auch Umwelteinflüsse, Stress oder eine genetische Vorbelastung.

Corona-Impfung als Auslöser „denkbar“

Es könne ein Zufall gewesen sein, dass die Impfung im zeitlichen Zusammenhang mit einer anderen Ursache stand. Aber es sei „denkbar“, dass die Impfung die vorhandene Auto-Immunkrankheit ausgelöst hat, meint der frühere Oberarzt am Schramberger Krankenhaus. Solche Fälle seien insgesamt selten. Deshalb sei es schwer nachzuweisen, was tatsächlich der Auslöser war. Aber, so Kügler: „Der Mechanismus ist denkbar.“

Das Gesundheitsamt nimmt Stellung:

Aufgrund des Falles aus dem Raum Schramberg hat sich die NRWZ an das Gesundheitsamt mit einigen Fragen gewandt.

Sind Ihnen andere Fälle bekannt, in denen eine (Covid-) Impfung eine Autoimmunerkrankung ausgelöst hat?

Nein, schwerwiegende, sogenannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) nach Impfungen sind sehr selten. Angaben zu Art und Häufigkeit der UAW finden sich in der Fachinformation des jeweiligen Impfstoffs.

Nach Paragraf 6 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der Verdacht einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung namentlich meldepflichtig. Die Meldung erfolgt vom Arzt an das Gesundheitsamt.

Dem Gesundheitsamt Rottweil ist bisher kein solcher Fall aufgrund einer COVID-19 Schutzimpfung gemeldet worden.

Patienten mit solchen Autoimmunschwäche-Erkrankungen gehören eigentlich zur Gruppe derjenigen, die prioritär geimpft werden sollen. Was sollte man tun?

Das ist richtig, gerade Menschen mit chronischen Grunderkrankungen profitieren von der Schutzimpfung.

Autoimmunerkrankungen oder chronisch-entzündliche Erkrankungen stellen grundsätzlich keine Kontraindikation für Schutzimpfungen dar. Studien konnten bisher keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer neu aufgetretenen Autoimmunkrankheit beziehungsweise einer chronisch-entzündlichen Erkrankung oder einem Schub einer bereits bestehenden Erkrankung belegen.

Impfpräventable Infektionen können dagegen bei nicht-geimpften Personen mit Autoimmunkrankheiten oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen Morbidität und Mortalität erhöhen und zum  Beispiel einen Schub auslösen. Auch haben diese Personen durch die Grunderkrankung und/oder deren Therapie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Impfungen können somit das Risiko für symptomatische Erkrankungen durch die jeweiligen Erreger und für infektionsgetriggerte Schübe der Grunderkrankung verringern.

Dass man eine Autoimmunerkrankung hat und nichts davon weiß, kommt das vor?

Ja, Autoimmunerkrankungen können in jedem Lebensalter auftreten, auch erblich bedingte. Auch rheumatische Erkrankungen, Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralskelrose, et cetera bleiben oft jahrelang unerkannt.

Bei einer Autoimmunerkrankung bildet das Immunsystem Autoantikörper die gegen die körpereigenen Strukturen gerichtet sind. Sie tragen zum Krankheitsgeschehen bei und können aber zur Diagnose genutzt werden, weil sich je nach Krankheit unterscheiden. Nach welchen Antikörpern bei einer Patientin oder einem Patienten gesucht wird, hängt von der vermuteten Diagnose ab.

Eine latente Autoimmunerkrankung kann/wird durch vielerlei „Trigger“ ausgelöst werden; hier insbesondere Infektionen (Viren und Bakterien) und sämtliche anderen Noxen (Medikamente, Umwelteinflüsse, Stress, Hormone, et cetera).

Warum es zu Autoimmunkrankheiten kommt, ist noch nicht vollständig geklärt. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass eine Kombination von mehreren Faktoren verantwortlich ist.

Erblich: Das gehäufte Auftreten innerhalb einer Familie ist bedingt durch eine Vererbung der Erkrankung.

Hormonell: Hormone beeinflussen den Ausbruch einer Autoimmunkrankheit, deshalb sind Frauen häufiger betroffen als Männer.

Umwelt und Viren: Weiterhin sind Umwelteinflüsse, die das Abwehrsystem beeinträchtigen (zum Beispiel Stress), und eine Entgleisung des Immunsystems, zum Beispiel  verursacht durch Viren, im Gespräch.

 

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