500 Jahre Bauernkrieg: Aufstand mit Ansage
Vor 500 Jahren entflammten in vielen Teilen des damaligen deutschen Reiches Aufstände – besonders rund um Rottweil: im Schwarzwald, am Oberrhein, in Württemberg. Wie kam es zu dieser meist als Bauernkrieg bezeichneten „Revolution des gemeinen Mannes“? Was waren die Ursachen? Lesen Sie hier Teil Zwei der losen NRWZ-Reihe zu diesem Thema.
Vorboten hatte es vielfach gegeben. Seit Jahrzehnten schrieben die Bauern nicht nur Beschwerdebriefe und Anklagen gegen ihre adligen Herren. Sie erhoben sich auch. 1476 etwa, als im fränkischen Weiler Niklashausen einem Schafhirten die Jungfrau Maria erschien.
Sie hatte offenbar ein Gespür für die Problemgebirge einer ganzen Gesellschaftsschicht, als sie den Hirten anwies zu predigen, dass „alle Abgaben, Zölle, Frondienste, Eintreibungen, Vorteile und Unterstützungen für die Prälaten, Fürsten und Adligen, und alles Unrecht, das den Armen zugefügt wird, sofort vollständig abgeschafft“ werden sollten. Der darauffolgende Massenprotest wurde allerdings blutig niedergeschlagen.
Oder um 1500, als sich unter dem Zeichen des Bundschuhs, einem für Bauern typischen Riemenschuh, Geheimbünde bildeten. Und 1513 bis 1516: Aufgebracht über neue Steuern des Herzog Ulrich von Württemberg, hatten nicht nur Bauern, sondern auch Bürger im Aufstand des „Armen Konrad“ aufbegehrt.
Die Erhebungen 1524 und 1526 unterschieden sich davon vor allem durch Ausmaß und Ziele. Bis 1524 ging es darum, einzelne Missstände zu beheben. Ab 1524 ging es um das System selbst. Der Konfliktstoff, der sich dann entlud, hatte sich lange aufgestaut. Die tieferen Auslöser lagen in der sozialenLage und im rechtlichen Status der Bauern. Denn obwohl diese Gruppe die wesentliche Last für die Aufrechterhaltung der damaligen Gesellschaft trug, hatte sich ihre Situation stetig verschlechtert.
Was heißt das? Bauern unterstanden, selbst wenn sie nicht Leibeigene waren, einem Grundherrn – sei es ein Ritter, Fürst oder Abt. Diesem Herrn waren sie zu vielfältigen Zahlungen und Abgaben verpflichtet. Hinzu kamen Frondienste – das heißt die Pflicht unbezahlt zu arbeiten. Also zum Beispiel Burgmauern auszubessern oder Wege anzulegen.
Und diese Lasten waren seit dem 15. Jahrhundert angestiegen. In den kleinen Herrschaften des schwäbischen und fränkischen Raums zum Beispiel war der Steuerdruck geradezu ins Unermessliche gewachsen. Und drohte die Bauern zu erdrücken.
Dabei kamen auch strukturelle Gesichtspunkte zum Tragen: Dort, wo Bauern kleine Betriebe bewirtschafteten und ihr Rechtsstatus ungesichert war, konnten die Grund- und Leibherren die Abgaben immer weiter hochschrauben. Rechtlicher und sozialer Status aber waren eng miteinander verbunden. Eine Verschlechterung des Rechtsstatus bedeutete auch einen sozialen Abstieg.
An vielen Orten im Reich waren die Bauern zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf der sozialen Treppe weit hinunterfallen – sie waren zu Leibeigenen herabgesunken. Oft, weil sie ihre Herren – etwa nach Missernten – um Hilfe bitten mussten.
Dies erklärt, warum die explosive Stimmung im frühen 16. Jahrhundert nicht nur Bauern erfasste, die um ihre Existenz ringen mussten. Sondern auch Bessergestellte, die um ihren gesellschaftlichen und politischen Status fürchteten. Zum Vergleich: Dort, wo die Bauern genügend von dem erwirtschafteten Gewinn behalten konnten, bildete sich kein Konfliktpotential.
Hinzu kam, dass alte Rechte auf Gemeingüter immer weiter zurückgedrängt wurden. Nicht selten wurden etwa Gewässer und Forsten, die bisher den Bauern zur Fischerei, zur Schweinemast oder zur Jagd offen gestanden hatten, schrittweise dem Adel vorbehalten. Was die Nöte der Bauern verschärfte.
Soziale Spannungen entstanden aber nicht nur zwischen Herrschaft und Bauern. Auch innerhalb eines Dorfes stieg der Druck. Denn die gesellschaftliche Staffelung ging von den Voll- und Großbauern, die sich vom sozialen Rang her auf der Ebene von Gastwirten befanden, über die Mittelbauern, die in etwa den Dorfhandwerkern gleichgestellt waren, hinab zu den Lohnarbeitern. Das bedeutet, dass ein regelrechtes „Dorfpatriziat“ neben einem „Dorfproletariat“ bestehen konnte. Diese Gruppen rivalisierten um Marktanteile oder um die Beteiligung an dörflicher Selbstverwaltung.
Der Bauernkrieg wurde also nicht nur durch eine um sich greifende Verelendung ausgelöst – wie beispielsweise in Franken, wo es eine starke Beteiligung der unteren Bauernschichten gab. Auch der besser situierte Bauernstand beteiligte sich. Ihm ging es darum, sich politische Geltung zu sichern, angestammte Rechte zu wahren und drohenden Abstieg abzuwenden. Diese Gruppe war für die Aufstände wichtig – vielerorts gab sie den Ton an.
Dass seit 1517 mit der Reformation eine neue Deutung religiöser Grundaussagen propagiert wurde, dass Martin Luther die römische Kirche infrage stellte und von der „Freiheit des Christenmenschen“ sprach – all das eröffnete für die bedrängten Bauern einen neuen Deutungsrahmen ihrer Probleme. Und neue Denkhorizont für ihre ihr Ziel, ihre Lage grundsätzlich zu verbessern. Notfalls mit Gewalt.
Info: In Teil Drei der Reihe richtet sich der Blick auf Rottweil und das Umfeld.
Mehrere Ausstellungen beziehen sich auf den Bauernkrieg. So nimmt das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart ihn zum Anlass, noch bis 4. Mai in einer Langfrist-Perspektive dem Thema „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ nachzugehen.
Vom 26. April bis 5. Oktober widmet sich dann die Große Landesausstellung im Kloster Schussenried unter dem Titel „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ dem Thema.