Der gesamte Landkreis Tuttlingen, der Landrat, der Ober- und die Bürgermeister der Stadt und der Gemeinden, haben sich in einem Schreiben an Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewandt. Darin fordern sie, das sogenannte Tübinger Modell auf das gesamte Land zu übertragen und unter strengen Hygiene- und Testbedingungen den Einzelhandel und die Gastronomie zu öffnen. Nur so könne eine Insolvenzwelle verhindert werden, argumentieren sie.
Die NRWZ bringt den ihr vorliegenden Brief an Kretschmann im Wortlaut. Er trägt das Datum des gestrigen Dienstags.
Zur Einordnung: Die 7-Tages-Inzidenz im Landkreis Tuttlingen sinkt, beträgt aber weiterhin mehr als 100. Daher sind die Einzelhandelsgeschäfte derzeit dort geschlossen.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
wir beziehen uns auf das Schreiben von Herrn Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg Steffen Jäger mit Datum vom 19.03.2021. In diesem Schreiben hat Ihnen der Gemeindetag Baden-Württemberg rechtzeitig vor dem Bund-Länder-Treffen, welches am 22.03.2021 stattgefunden hat, sehr eindringlich die Sorgen und Anliegen der Kommunen aufgezeigt.
Wir alle haben im Vorfeld des Bund-Länder-Treffens gehofft, dass der Appell des Gemeindetags Gehör findet und in die Beratung mit einfließt. So hat dieser in seinem Schreiben darauf verwiesen, welch dramatische Folgen eine Rückkehr in die Regelungslage vor dem 07.03.2021 mit sich bringen wird. Die noch geöffneten Handelsgeschäfte mit ihrem Misch- und Vollsortiment Angebot werden verstärkt frequentiert, während der übrige Einzelhandel als auch die Gastronomie ihre Ladentüren geschlossen halten müssen.
Dies hat zur Folge, dass nach unserer Auffassung einerseits die Ansteckungsgefahr in diesen Supermärkten sich deutlich erhöht und auf der anderen Seite der Einzelhandel zunehmend wirtschaftlich in Bedrängnis kommt. Nach unserer Auffassung wäre ein Öffnen des Einzelhandels als auch der Gastronomie mit strengen Hygienekonzepten als auch mit entsprechenden Teststrategien durchaus auf der bisherigen Basis (click & meet) möglich.
Wir haben gehofft, dass mit dem Prinzip „mit Sicherheit öffnen“ ein verantwortbarer und zumindest eingeschränkter Betrieb von Kultur, Hotel und Gastronomie als auch von Veranstaltungs- und Sportangeboten wieder möglich sein könnte.
Aus diesem Grund begrüßen wir die modellhafte Erprobung dieses Ansatzes in der Stadt Tübingen und beobachten diesen Modellversuch mit großem Interesse. Nur bringt dieser Testversuch den restlichen Städten und Gemeinden mit ihren Einzelhandelsstrukturen herzlich wenig, wenn er eben nur in Tübingen durchgeführt und nicht auf das gesamte Land übertragenwird.
Dies insbesondere auch vor dem zeitlichen Hintergrund, dass die Gastronomie und der Einzelhandel sich nun mehr oder weniger seit fast einem Jahr in einem Ausnahmezustand befinden. Viele Einzelhändler und Gastronomen müssen trotz finanzieller Hilfeleistungen zwischenzeitlich an ihre Altersversorgungen herantreten, weil ihre wirtschaftlichen Reserven aufgebraucht sind.
Wir sind der Überzeugung, dass mit dem Aufbau einer flächendeckenden Testinfrastruktur in Baden-Württemberg nachhaltig und zuverlässig eine Öffnung des Einzelhandels und der Gastronomie wieder möglich sein könnte.
Leider haben die Anregungen und die Vorschläge des Gemeindetag Baden-Württemberg kein Gehör beim Bund-Länder-Treffen erhalten. Stattdessen wurden weitere Einschränkungen und Schließungen wieder beschlossen, die zur Verschärfung der Situation beitragen. Schlimmer noch mit dem beschlossenen Lockdown um Gründonnerstag und der Öffnung am Ostersamstag, wird sich nun das Einkaufsverhalten der Bürger auf den Mittwoch vor Gründonnerstag und auf den Ostersamstag konzentrieren. Dies stellt aus unserer Sicht eher eine zusätzliche Gefahr einer Infektion dar.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann, wir bitten Sie eindringlich, das Tübinger Modell mit entsprechenden Hygienekonzepten und Teststrategien auf das gesamte Land zu übertragen, damit in unseren Innenstädten und Gemeinden wieder der Einzelhandel als auch die Gastronomie öffnen kann. Nur so kann die noch drohende Insolvenzwelle abgemildert werden, denn sonst droht eine nachhaltige Verödung der Innenstädte und Gemeinden. Der Schaden wäre irreparabel. Dabei schlagen wir für einen ländlich geprägten Flächenlandkreis wie den Landkreis Tuttlingen einen kreisweiten Tagespass vor, so dass die Testung nicht nur für eine Stadt, sondern den gesamten Landkreis Gültigkeit besitzt. In dem Zusammenhang bitten wir auch zu prüfen inwieweit eine Bescheinigung mit einer Zeitdauer von 24 Stunden praktikabel wäre.
Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass unterschiedliche Regelungen in den Landkreisen zu unerwünschten Verwerfungen führen und zudem für die betroffenen Betriebe und Bürger kaum mehr nachvollziehbar und verständlich sind. Wir halten es deshalb für unabdingbar, dass die künftigen Regelungen der CoronaVO landeseinheitlich gelten. Dies gilt sowohl für die „Notbremse“ als auch die vom Bund ins Spiel gebrachten zusätzlichen Maßnahmen in besonders betroffenen Landkreisen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Städte, Gemeinden und der Landkreis Tuttlingen
Landkreis Tuttlingen, Landrat Stefan Bär,
Große Kreisstadt Tuttlingen, Oberbürgermeister Michael Beck,
Gemeinde Aldingen, Bürgermeister Ralf Fahrländer,
Gemeinde Balgheim, Bürgermeister Nathanael Schwarz,
Gemeinde Bärenthal, Bürgermeister Tobias Keller,
Gemeinde Böttingen, Bürgermeister Benedikt Buggle,
Gemeinde Bubsheim, Bürgermeister Thomas Leibinger,
Gemeinde Buchheim, Bürgermeisterin Claudette Kölzow,
Gemeinde Deilingen, Bürgermeister Albin Ragg,
Gemeinde Denkingen, Bürgermeister Rudolf Wuhrer,
Gemeinde Dürbheim, Bürgermeister Andreas Häse,
Gemeinde Durchhausen, Bürgermeister Simon Axt,
Gemeinde Egesheim, Bürgermeister Hans Marquart,
Gemeinde Emmingen-Liptingen, Bürgermeister Joachim Löffler,
Stadt Fridingen a.D. Bürgermeister Stefan Waizenegger,
Gemeinde Frittlingen, Bürgermeister Dominic Butz,
Stadt Geisingen, Bürgermeister Martin Numberger,
Gemeinde Gosheim, Bürgermeister Andre´ Kielack,
Gemeinde Gunningen, Bürgermeisterstellvertreter Steffen Haller,
Gemeinde Hausen o.V. Bürgermeister Jochen Arno,
Gemeinde Immendingen, Bürgermeister Manuel Stärk,
Gemeinde Irndorf, Bürgermeister Jürgen Frank,
Gemeinde Königsheim, Bürgermeister Konstantin Braun,
Gemeinde Mahlstetten, Bürgermeister Helmut Götz,
Stadt Mühlheim a.D., Bürgermeister Jörg Kaltenbach,
Gemeinde Neuhausen o.E., Bürgermeisterin Marina Jung,
Gemeinde Reichenbach, Bürgermeister Hans Marquart,
Gemeinde Renquishausen, Bürgermeister Jürgen Zinsmayer,
Gemeinde Rietheim-Weilheim, Bürgermeister Jochen Arno,
Gemeinde Seitingen-Oberflacht, Bürgermeister Jürgen Buhl,
Stadt Spaichingen, Bürgermeister Markus Hugger,
Gemeinde Talheim, Bürgermeister Andreas Zuhl,
Stadt Trossingen, Bürgermeisterin Susanne Irion,
Gemeinde Wehingen, Bürgermeister Gerhard Reichegger,
Gemeinde Wurmlingen, Bürgermeister Klaus Schellenberg
Wie werden die Hardliner im Kreis Rottweil wohl darauf reagieren?
Die OB Broß, Eisenlohr und der Rottweiler Landrat verurteilen diesen Vorstoß in einer gemeinsamen Note aufs Schärfste und fordern, die Abweichler in der Nachbarschaft auf Linie zu bringen?
Sollten wir Sanktionen gegen den auf Abwege geratenen Nachbarkreis erwägen?
Zumindest den Tuttlinger Botschafter sollte man einbestellen.
Und den aus VS gleich dazu. Denn dort gibt es immer noch keine Maskenpflicht in der Fußgängerzone. Obwohl das Land das doch „zwingend vorgeschrieben“ hat.
Die Frage bleibt, warum macht ihr es nicht einfach? Wenn Tübingen es eigenverantwortlich macht, wo ist dann das Hindernis es ebenfalls so zu handhaben? Lieber wird die Verantwortung weiter geschoben, vom Landrat zum Ministerpräsidenten zur Bundeskanzlerin zur Ministerpräsidentenrunde…