Lieber eine S-Bahn als gar keine Verbindung – OB Ruf und Abgeordneter Karrais antworten auf Gäubahn-Brief

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Es klingt nach „Lieber den Spatz in der Hand …“. Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf jedenfalls würde sich einen Weiterbetrieb der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof wünschen. Allein: Er hält es für wenig realistisch, weshalb ein Plan B her müsse. Die S-Bahn-Lösung.

Eine mögliche S-Bahn Anbindung nach Stuttgart – nur eine „Beruhigungspille“? Als solche sehen es Mitstreiter der Initiative Pro Gäubahn, nach eigenen Angaben eine überparteiliche Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern aus Rottweil. Man zeigt sich „bestürzt über die Pläne der Bahn zum künftigen Betrieb der Strecke Stuttgart-Singen“, formuliert Michael Leibrecht als Sprecher der Initiative. Zum Hintergrund: Die sogenannte Gäubahn soll ab dem Jahr 2025 vom Stuttgarter Hauptbahnhof abgehängt werden. „Es ist davon auszugehen, dass dieses mindestens 20 Jahre so bleibt“, erklärt die Initiative. „Betroffen sind circa 1,4 Millionen Menschen im südwestlichen Landesteil.“ Der etwa elf Kilometer lange sogenannte Pfaffensteigtunnel von Böblingen bis zum Flughafen als künftige Direktverbindung zum Hbf sei bisher nicht einmal in einem verlässlichen Planungsstadium, die Dauer bis zu seiner Fertigstellung völlig ungewiss. „Die frühere internationale Bahnmagistrale Stuttgart-Zürich-Mailand wird also vernichtet“, so die Initiative, die sich auf die Fahnen geschrieben hat: „Wir wollen zum Hauptbahnhof!“

Neben den Städten Tuttlingen, Engen, Singen und Konstanz treffe eine Einstellung der Gäubahnverbindung besonders Rottweil, da die Landesgartenschau 2028 per Bahn nicht ohne Umsteigen aus Stuttgart erreichbar ist. Eine eventuelle Weiterführung der S-Bahn bis Rottweil „ist utopisch, da einerseits die Fahrzeuge fehlen, andererseits die Verdichtung der Linien im Stadtbezirk Stuttgart gar nicht mehr möglich ist“, so die Initiative. Die Züge würden jetzt schon in der Hauptverkehrszeit im Zweieinhalb-Minuten-Abstand fahren.

Sie erklären, dass die Beibehaltung der Verbindung über die Panoramastrecke zum Hauptbahnhof durch die Stadt Stuttgart und nicht durch die DB blockiert wird. Und fordern daher den Gemeinderat der Stadt Rottweil sowie deren Oberbürgermeister auf, mehr Druck zu machen. Und das mit dem Ziel, dass bis zur Fertigstellung des Direktanschlusses der Gäubahn an den Hauptbahnhof Stuttgart die heutige Anbindung von der Schweizer Grenze über die Panoramabahn bis zum Kopfbahnhof Stuttgart beibehalten wird. Die S-Bahn sei jedenfalls keine Alternative.

Rottweils Oberbürgermeister Dr. Christian Ruf hat nun binnen weniger Tage auf den Offenen Brief der Gäubahn-Unterstützer geantwortet. Beide Schreiben liegen der NRWZ vor. In seiner Antwort betont Ruf, „dass ich Ihre Sorge um die Zukunft der Gäubahn teile. Die Pläne, die Gäubahn über viele Jahre vom Hauptbahnhof in Stuttgart abzutrennen, halte ich ebenso wie Sie für einen schweren verkehrspolitischen Fehler und ein fatales Signal an die Menschen entlang der Gäubahnstrecke“. Der Rottweiler Gemeinderat und die Verwaltungsspitze der Stadt Rottweil hätten in den vergangenen Jahren regelmäßig auf diesen Fehler hingewiesen und eine Alternative eingefordert. So habe der Rottweiler Gemeinderat am 29. Juli 2022 eine Gäubahn-Resolution mit dem Titel „1,4 Millionen Menschen dürfen nicht abgehängt werden“ beschlossen, erinnert Ruf. Dies sei verbunden gewesen mit der Forderung an Bund, Land und Stadt Stuttgart, eine Kappung der Gäubahn vom Hauptbahnhof auszuschließen. Ruf verweist zudem auf weitere Initiativen aus Rottweil, vor und während seiner Amtszeit.

In jüngster Zeit werde jedoch immer klarer, „dass wir mit unseren Forderungen nach dem Erhalt der Gäubahn bis zum Hauptbahnhof in Stuttgart womöglich kein Gehör finden werden“, so der Rottweiler OB. Es sei daher geboten, einen Plan B zu verfolgen, der die Folgen der Abbindung zumindest abmildert. „Die S-Bahn-Lösung hätte, bei allen Vor- und Nachteilen, die mir in der Gesamtabwägung sehr wohl bewusst sind, den Vorteil, dass die Fahrgäste auch künftig ohne Umstieg direkt zum Hauptbahnhof fahren können“, urteilt Ruf. Gerade mit Blick auf die Landesgartenschau 2028 wäre auch eine Direktverbindung von der Landeshauptstadt nach Rottweil gegeben. „Gemeinsam mit den anderen Anliegerkommunen haben wir daher auf dem Gäubahn-Gipfel – einhellig – beschlossen, dass diese Variante weiterverfolgt werden sollte und die Vertreter von Land und Bahn aufgefordert, diese Option konstruktiv und ernsthaft zu prüfen.“

Andere Möglichkeiten wären sicherlich wünschenswert, so der Rottweiler OB weiter – sie seien „indes nicht realistisch“. Man müsse daher „den Realitäten ins Auge sehen und Lösungen suchen, bevor wir am Ende ganz mit leeren Händen dastehen“. Für die S-Bahn-Lösung sei auch die Kooperationsbereitschaft des Verbandes Region Stuttgart nötig. „Nur wenn man dort bereit ist, Wagenmaterial für die S-Bahn an anderer Stelle einzusparen oder durch Regionalzüge zu ersetzen, besteht überhaupt die Chance, die notwendigen Züge für eine S-Bahn in den Süden aufs Gleis zu stellen“, so Ruf. „Ich halte es daher in der gegenwärtigen Situation für ein Gebot der Vernunft, nicht ausschließlich auf ein immer unwahrscheinlicheres Einlenken in Sachen Abbindung zu hoffen, sondern auf die Entscheidungsträger in Stuttgart zuzugehen und nach Möglichkeit der S-Bahn-Anbindung den Weg zu bereiten.“

Unterstützung bekommt Ruf vom Rottweiler Landtagsabgeordneten Daniel Karrais (FDP), der auch im Rottweiler Gemeinderat sitzt. „Die neuesten Gutachten bestätigen, dass die S-Bahnvariante mit einer Verlängerung bis Rottweil in der Tat die einzig sinnvolle Lösung für die Interimszeit ist“, so Karrais in einer direkten Antwort auf den Gäubahn-Brief vor ein paar Tagen. „Die Direktanbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof wird für unsere Region damit möglich und das im Zweistunden-Takt, mit einer ähnlichen Fahrzeit, wie mit den bisherigen Regionalzügen.“

Es sei geboten, „von dem ungünstigsten Szenario auszugehen, dass die Stadt Stuttgart an ihren Plänen festhält. Darum muss eine alternative Lösung gefunden werden, sonst gibt es am Ende gar keine Lösung“, sagt Karrais. Nun sei das Landesverkehrsministerium gefordert, sich gemeinsam mit dem Verband Region Stuttgart dafür einzusetzen, dass die S-Bahn-Variante realisiert wird und die entsprechenden Wägen dafür beschafft werden.

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Peter Arnegger (gg)
Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.

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