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Land schließt Werkstätten für Behinderte und Pflegeeinrichtungen für Senioren

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Die Landesregierung Baden-Württemberg hat noch am späten Mittwochabend eine ab heute gültige Notverordnung erlassen, nach der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen zu schließen sind. Die Lebenshilfe im Kreis Rottweil hatte dies vehement gefordert. Der Betrieb von Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege ist nun ebenfalls untersagt.

Am Mittwochnachmittag schlug die Geschäftsführerin der Lebenshilfe Kreis Rottweil, Heidemarie Hofmann-Princ, Alarm. In einer E-Mail an die NRWZ fordert sie vehement die Schließung der Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Für alle stationären Wohnbereiche bestehe nach der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen vom 16. März ein Besuchsverbot. Die Werkstätten dagegen seien noch offen – als wären sie vergessen worden.

Die Lücke hat das Land noch gestern geschlossen. Mit Wirkung am heutigen Donnerstag ist in allen anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen sowie angegliederten Förderstätten die Beschäftigung und Betreuung von Menschen mit Behinderung grundsätzlich untersagt.

Weiter heißt es in der Verordnung: Für minderjährige Menschen mit Behinderung, die die Einrichtung besuchen, soll der Einrichtungsträger ein Beschäftigungs- und/oder Betreuungsangebot zur Verfügung stellen, soweit und solange im Fall von Erziehungsberechtigten, die mit dem minderjährigen Menschen zuhause wohnen, beide Erziehungsberechtigte, im Fall von Alleinerziehenden der oder die Alleinerziehende des minderjährigen Menschen mit Behinderung in Bereichen der kritischen Infrastruktu tätig und aufgrund dienstlicher oder betrieblicher Notwendigkeiten an einer Betreuung tagsüber gehindert sind. Entsprechendes gilt für betreuungsbedürftige volljährige Menschen mit Behinderungen, wenn kein Angehöriger oder rechtlicher Betreuer zur Verfügung steht, der die Betreuung und Versorgung übernehmen kann oder aus sonstigen wichtigen Gründen keine geordnete Betreuung und Versorgung des Menschen mit Behinderung tagsüber zuhause sichergestellt werden kann.“

Ebenso untersagt wurde noch kurz vor Mitternacht und damit ebenfalls mit Wirkung zum heutigen Donnerstag der Betrieb von Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege. Ein eingeschränkter Betrieb in diesen Einrichtungen der Altenpflege wird nur dann gestattet, „wenn und soweit aus zwingenden Gründen die Aufrechterhaltung der Pflege für einzelne Personen erforderlich ist“, heißt es in der Notverordnung, die diese Ausnahmen ebenfalls regelt. 

Ein Mitarbeiter einer der Werkstätten für Behinderte hatte sich am Nachmittag des Mittwochs bei der NRWZ gemeldet, bat darum, ihn auf dem Laufenden zu halten. Auch er fühlte sich offenbar verunsichert und im Unklaren darüber, was mit ihm geschehen soll.

Am Mittwoch noch hatte Lebenshilfe-Geschäftsführerin Hofmann-Princ zudem eine Verordnung des Landratsamts eingefordert. „Die Werkstätten an den Standorten Schramberg-Waldmössingen und Rottweil sind nach wie vor geöffnet, wobei wir davon ausgehen, dass dies sich kurzfristig auch noch ändern kann“, schrieb sie. Die Werkstätten in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Thüringen seien bereits komplett geschlossen worden.

„Die Anordnung der Schließung der Werkstätten für Menschen mit Behinderung ist überfällig“, so die Lebenshilfe-Chefin für den Kreis Rottweil. „Wir ersuchen freundlichst die fehlende Anweisung des Landkreises zur Schließung unserer Werkstätten, die auch ohne vorherige Entscheidung der Landesregierung möglich ist, anzuordnen“, schrieb sie.

Hofmann-Princ schildert die Lage im Landkreis: Die Wohnheimbewohner der Einrichtung seien bereits vorsorglich in den Wohnheimen geblieben und würden vor Ort betreut. In den Wohnheimen würden auch unsere Seniorengruppe und die Rehabilitanden aus dem Bereich des erhöhten Förderbereichs mitbetreut. Der Gastronomie-Betrieb „Zum Frieder“ im Webertal 12 in Waldmössingen und das „Rösterei-Café“ in der Sprengergasse 2 in Rottweil blieben bis auf weiteres geschlossen. Den Eltern und Betreuern der Rehabilitanden habe man einen Infobrief zukommen lassen.

In unseren Werkstätten treffen täglich, auch nach bereits getroffenen Maßnahmen, immer noch mehr als 50 Menschen mit Behinderung zusammen, die in der Kantine zu Mittag essen, die Pausen zusammen verbringen und am Arbeitsplatz teilweise auf engstem Raum zusammenarbeiten. Darüber hinaus nutzt ein Großteil der Rehabilitanden öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrdienste auf dem Weg zur und aus der Werkstatt. Das Risiko einer Virusübertragung ist dadurch sehr hoch.

Wir kommen zu der Einschätzung, dass aufgrund der überfälligen und nicht getroffenen Entscheidung Gefahr für unsere Menschen mit Behinderung, deren Angehörigen und unsere Angestellten im Verzug ist.

Heidemarie Hofmann-Princ

Zugleich erklärt sie, dass es innerhalb der Lebenshilfe im Kreis Rottweil gGmbH derzeit keinen bestätigten Fall einer Infektion mit dem Coronavirus gibt.

Das erklärt für die Stiftung St. Franziskus auch deren Sporecher. E“Wir arbeiten gerade alle unter Hochdruck an der Prävention vor dem Corona-Virus um unsere Mitarbeiter und Klienten bestmöglich zu schützen – das ist unser oberstes Ziel“, heißt es aus der Einrichtung. Und: „Gott sei Dank haben wir bis dato keine Corona-Infektion in den  Einrichtungen der Stiftung. Alle zusammen arbeiten wir fieberhaft daran, dass dies möglichst so bleibt.“

Die Verordnungen des Landes treten am 15. Juni 2020 außer Kraft.

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Peter Arnegger (gg)https://www.nrwz.de
... ist seit gut 25 Jahren Journalist. Mehr über ihn hier.