Dietingen. Begehrte Rohstoffe gibt es nicht nur in fernen Ländern. Einer lagert vor der Haustür: Gipsstein. In einem Band, das sich grob gesagt zwischen Herrenberg und Rottweil erstreckt, kann der für die Baubranche wichtige Grundstoff gut abgebaut werden. Zwischen Maria Hochheim und Böhringen ist nun ein neuer Gipsbruch geplant.
Auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche von etwa 14 Hektar will die Bösinger Firma Gebrüder Bantle & Co KG dort im Tagebau Gipsstein abbauen. Das vorgesehene Areal erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung zwischen den beiden bestehenden Brüchen bei Maria Hochheim bis zur Querstraße, die zur Wendelinus-Kapelle führt – etwa auf halber Strecke zwischen Maria Hochheim und dem Böhringer Ortsrand.
Nach Osten soll der Abbau bis 20 Meter an den Waldsaum heranreichen, nach Westen etwa 15 Meter an den Radweg neben der Kreisstraße – jeweils abgegrenzt durch einen Erdwall, wie Joachim Haaga, Prokurist bei Bantle, der NRWZ auf Anfrage erklärte. Die Firma betreibt bereits einen Gipsbruch zwischen Trichtingen und Böhringen.
Dort wird recht wenig sichtbar vom Betrieb, auch weil die Zufahrt in der Talsenke des Füllbachs liegt. Ähnlich will Haaga auch den Abbau bei Maria Hochheim organisieren, der den dann erschöpften Bruch bei Trichtingen ablöst: „So schonend wie möglich“ soll vorgegangen werden, betont er im Gespräch mit der NRWZ.
So soll beim Bau der Zufahrtswege darauf geachtet werde, dass wenig Staub entsteht. Auch ist die Abbaugeschwindigkeit begrenz: bis zu 50 LKW-Ladungen täglich sind als Fördermenge vorgesehen – etwa so viel wie im Trichtinger Bruch aktuell. Das soll die Verkehrsbelastung in Grenzen halten. Für Böhringen wird diese ohnehin geringer, da ja der Durchgangsverkehr vom aktuellen Abbau in Richtung Süden wegfällt. Und für Maria Hochheim bleibt der LKW-Durchlauf etwa gleich wie bisher.
Dennoch stellt der vorgesehene Gipsbruch, der bis zu zehn Meter in die Tiefe reichen kann, einen erheblichen Eingriff in die Landschaft dar. Eine Möglichkeit, das Vorhaben abzulehnen, gebe es trotzdem nicht, erklärte der Dietinger Bürgermeister Frank Scholz gegenüber der NRWZ. „Gips ist ein rarer Rohstoff und seine Förderung wird politisch als übergeordnetes Interesse eingestuft“, sagte Scholz.
Zugleich machte er keinen Hehl daraus, dass ihm persönlich der weitreichende Eingriff nicht gefällt. Zumal mit der politisch forcierten Aufstellung von Solaranlagen demnächst vielerorts das Landschaftsbild einschneidend verändert werde.
Die Rahmenbedingungen sind jedoch klar: Der Abbau des Gipsgesteins ist im Flächennutzungs- und im Regionalplan verankert. Sofern die Vorgaben etwa zu Staub- und Lärmemissionen eingehalten werden, steht der Förderung rechtlich nichts im Wege. Die Gemeinde hat denn auch ihr Einvernehmen erteilt. Das beim Landratsamt anhängige Genehmigungsverfahren schreitet damit voran.
Bei einem Bürgerdialog im Sommer wurden keine grundsätzlichen Bedenken laut. Auf Wunsch der Anwohner wird jedoch die Zufahrt verlegt: Geplant war eine Straße vom Erlensee her. Nun ist eine Erschließung von der Kreisstraße über den Querweg zur Wendelinuskapelle vorgesehen.
Wirtschaftlich interessant ist der seit Jahrzehnten betrieben Abbau auf den Gemarkungen Trichtingen und Böhringen, weil dort eine geologische Formation leicht zugänglich ist: die zehn bis 20 Meter mächtigen Grundgipsschichten der sogenannten Grabfeld-Formation des Mittleren Keuper.
In Böhringen kommt noch ein weiterer Rohstoff hinzu: Sulfat, natürliche Schwefelverbindungen – in Fachkreisen ist sogar von „Böhringen-Sulfat“ die Rede. Dieses hat zwar nur eine geringe Mächtigkeit. In Kombination mit dem Gipsstein der Grundgipsschichten ist die Förderung dennoch rentabel.
Benötigt wird Gips vor allem für die Zementindustrie, aber auch für die Herstellung von Gipskartonplatten für den Innenausbau. Der Gips aus der neuen Förderzone soll vor allem in Zementwerken in der Schweiz und Frankreich weiterverarbeitet werden, aber auch bei Knauf in Lauffen sowie in Dotternhausen, wie Joachim Haaga erklärte.
Starten will er im kommenden Jahr. Zuerst werde der Straßenzugang verbreitert, so dass zwei LKWs aneinander vorbeikommen. Dann folgen die Erdwälle und weitere Vorbereitungen. Der Gipsabbau soll 2025 anlaufen. Geplant sind etwa 24 Jahre Betriebszeit. Anschließend sind sechs Jahre dafür vorgesehen, die Rekultivierung abzuschließen, die schon während des Betriebs läuft, indem ausgebaggerte Zonen gleich wieder verfüllt werden. Danach, also etwa im Jahr 2055, sollen die Flächen wieder landwirtschaftlich nutzbar sein.