Gesundheitsminister gegen präventive Schulschließungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie

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Der Virologe Alexander Kekulé forderte laut Medienberichten schon vor etwa einer Woche mehrwöchige Schulschließungen. Wegen der Entwicklung der vergangenen Tage gerade in Baden-Württemberg, wo sich die Anzahl der Corona-Infizierten alle zwei Tage verdoppelt hat, sieht der Philologenverband die Sorgen des Virologen bestätigt und fordert zur Vermeidung einer Pandemie die Schließung aller Schulen landesweit bis zum 3. April , das heißt bis zu den Osterferien. Dem stellt sich Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) entgegen.

„Der Schulbetrieb stellt grundsätzlich keine Großveranstaltung dar, da der Aufenthalt in der Schule überwiegend in kleinen Gruppen stattfindet“, teilte Luchas Sozialministerium am Nachmittag mit. Außerdem gebe es jetzt bereits klare Vorgaben, wie sich Schüler, die sich in Risikogebieten aufgehalten hatten, zu verhalten haben. Daraufhin sei es bereits lageabhängig zu einzelnen Schulschließungen gekommen beziehungsweise seien einzelne Schüler dem Unterricht fern geblieben. „In einer Schule ist es außerdem im Vergleich zu einer Großveranstaltung möglich, Infektionsketten nachzuverfolgen, da die Namen der Schüler bekannt sind“, so Lucha weiter.

Das Coronavirus breitet sich derzeit anscheinend ungebremst und mit einer sehr hohen Ansteckungsrate aus, stellte dagegen am Vormittag der Philologenverband Baden-Württemberg fest: Die Zahl der Infizierten wächst in Baden-Württemberg derzeit exponentiell mit einer Verdopplung etwa alle zwei Tage. „Wenn nicht sofort drastische Maßnahmen zur Eindämmung eingeleitet werden, könnten in drei Wochen in Baden-Württemberg Zehntausende infiziert sein“, so der Verband.

Das Kultusministerium hatte klare Vorgaben für den Umgang der Schulen mit der Corona-Situation gemacht, die Entscheidung in Zweifelsfällen aber den Gesundheitsämtern überlassen. „Diese handeln nun völlig uneinheitlich, sodass etwa Schulen, deren Einzugsgebiet mehr als einen Landkreis umfasst, mit unterschiedlichen Anweisungen zweier Gesundheitsämter konfrontiert werden“, so der Verband weiter. Außerdem könnten die Schulen nicht wirksam überprüfen, ob Schüler in den Faschingsferien in Risikogebieten waren – etwa im Ski-Urlaub in Südtirol. Zudem kamen die entsprechenden Anweisungen des Kultusministeriums erst Tage nach dem Ende der Ferien, da das Robert-Koch-Institut Südtirol erst am 5. März als Risikogebiet einstufte.

„Es muss jetzt mit wirksamen Maßnahmen flächendeckend vorgesorgt werden, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Lucha hat bereits angekündigt, die Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Spahn umzusetzen und Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern zu untersagen. Der Schulbetrieb an großen Gymnasien entspricht solchen Großveranstaltungen„, so der Philologenverband in einer gegensätzlichen Meinung zu der des Gesundheitsministers.

Schulschließungen würden mit Härten für alle Beteiligten, also für Schüler, Eltern und Lehrkräfte, verbunden sein. „Wir brauchen jetzt aber gesamtgesellschaftliche, solidarische Anstrengungen im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus.“ Der Landesvorstand des Philologenverbands habe deshalb nach einer langen und sehr intensiven Diskussion beschlossen, vom Kultusministerium die umgehende Schließung sämtlicher Schulen in Baden-Württemberg bis zu den Osterferien zu fordern und dies dem Kultusministerium am Montag Nachmittag mitgeteilt. Der Philologenverband hofft nach eigenen Angaben, dass diese Maßnahme einen großen Beitrag zur Eindämmung der Krankheitswelle leistet, sodass nach den Osterferien das Abitur in geordneten Bahnen durchgeführt werden könne.

Gesundheitsminister Lucha hält entgegen: „Nach den bislang vorliegenden Informationen infizieren sich Kinder zwar mit SARS-CoV-2, sie erkranken aber eher selten.“ So entfiellen in Baden-Württemberg aktuell weniger als 10 Prozent der Fälle auf Kinder und Jugendliche. „Insofern kann angenommen werden, dass Kinder bei der Übertragung des Virus allenfalls eine geringe Rolle spielen. Bisherige epidemiologische Daten stützen diese Annahme. Selbstverständlich beobachten wir die Lage genau und werden auch in Zukunft lageorientiert entscheiden.“

Hintergrund

An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt mit rund 9.000 im Verband organisierten Mitgliedern die Interessen der Lehrerinnen und Lehrer an den 462 öffentlichen und privaten Gymnasien des Landes.

Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl im Hauptpersonalrat beim Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien die Mehrheit und setzt sich dort nach eigenen Angaben für die Interessen der etwa 30.000 Lehrkräfte an den Gymnasien des Landes ein.

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NRWZ-Redaktion
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