Wer bei einer Prüfung die gestellten Fragen nicht beantwortet, bekommt die Note sechs. Das passierte vor Kurzem auch Maria Lena Weiss.
Nun ist Frau Weiss seit ein paar Jahren aus der Schule, erfolgreich. Und auch die beiden juristischen Staatsexamina hat sie geschafft. Seit vorigem Herbst ist sie die (einzige) Bundestagsabgeordnete des hiesigen Wahlkreises. Woher dann die Sechs? Nicht von ehemaligen Lehrern. Sondern von der Webseite „abgeordnetenwatch.de“.
Die nämlich hat sich der Transparenz unserer Parlamente verschrieben. So legt sie offen, wie die einzelnen Abgeordneten bei Abstimmungen im Bundestag gestimmt haben. Auch bei Maria Lena Weiss ist das nachzulesen. Außerdem kann jeder per Mausklick Anfragen an Abgeordnete richten – nicht nur die des eigenen Wahlkreises, sondern bundesweit.
Die Webseite ist daher auch nicht staatlich. Nachteil: Sie kann keinen Abgeordneten dazu zwingen, die Fragen auch zu beantworten. Einige tun das, offensichtlich sogar mit Begeisterung (sie oder ein Referent, spielt keine Rolle, Hauptsache der Name steht drunter). Und wer, Stichtag Ferienbeginn, alle Fragen beantwortet hat, der wurde im Sommer mit „Sehr gut“ benotet. Dazu gehören beispielsweise die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang, die bis zum Stichtag 55 Fragen erhalten und alle beantwortet hat, und zwei Abgeordnete des Nachbarkreises Schwarzwald-Baar, nämlich Derya Türk-Nachbaur (SPD), die alle 13 an sie gestellten Fragen beantwortet hat, und Thorsten Frei (CDU) mit 52 gestellten und beantworteten Fragen. Insgesamt haben 61 Abgeordnete aus Baden-Württemberg die Note eins bekommen.
Maria Lena Weiss hingegen hatte zum Stichtag drei Fragen bekommen und keine beantwortet. Note sechs. Wie 18 andere baden-württembergische Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen außer der FDP. Außer Konkurrenz zwei AfD-Männer, darunter auch Markus Frohnmaier: Sie haben nichts beantwortet, weil ihnen keine Fragen gestellt wurden.
Maria Lena Weiss ist in prominenter Gesellschaft: Ihr Vorgänger Volker Kauder heimste ebenfalls schlechte Noten ein, weil er nicht geantwortet hat. Wolfgang Schäuble (beide CDU) hat ebenfalls keine Frage beantwortet.
Am Ende der Rangliste aus dem Ländle stehen übrigens zwei prominente Frauen: Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken auf Platz 99 (zum Stichtag 28 unbeantwortete Fragen) und die Bundessprecherin der AfD, Alice Weidel (Platz 100, 31 Fragen). Im Gegensatz zu diesen zeigte sich Weiss aber reumütig: Nachdem eine Lokalzeitung recherchiert hatte, also Wochen nach dem Stichtag, hat sie alle drei Fragen beantwortet. Dabei erfährt die Öffentlichkeit beispielsweise, dass sie durchaus für ein befristetes Tempolimit wäre. Stand heute steht noch die Antwort auf eine Frage aus. Aber diese wurde erst am Donnerstag voriger Woche gestellt, war also Frage Nummer vier. Und ein bisschen Zeit dürfen sich die Abgeordneten ja schon lassen.
Anfragen an sie können interessierte Menschen natürlich auch an ihre Webseite richten (marialenaweiss.de), ohne den Umweg über „Abgeordnetenwatch“. Ein Test ergab: Die erste Reaktion kam am darauffolgenden Tag mit der Ankündigung einer Antwort für den folgenden Tag. Auf die warten wir allerdings heute noch.