Eine Doppelgemeinde im Süden der Republik hofft auf die Abschiebung eines mutmaßlichen Unruhestifters. Eines jungen Tunesiers, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt – und der für eine ganze Einbruchsserie verantwortlich sein soll. Einer, der private Grundstücke betritt und um Häuser „herumschnüffelt“, wie der Bürgermeister der Gemeinde es nennt. Dieser hat offenbar alle Hände voll zu tun, die Wogen zu glätten – was ihm bislang gelang. Die Polizei indes kann dem Verdächtigen gar nicht alle ihr bekannten Taten zuordnen.
Seitingen-Oberflacht, Kreis Tuttlingen. Die 2500-Seelen-Gemeinde liegt im idyllisch-grünen Herzen der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. „Seitingen-Oberflacht kann auf eine über 1200-jährige Geschichte zurückblicken. Besondere Bedeutung erlangte Seitingen-Oberflacht durch die europaweit einmaligen Funde aus der Alemannenzeit“, heißt es in der Eigenbeschreibung der Gemeinde. Das mag auch bedeuten: Die letzte große Schlagzeile liegt ein Weilchen zurück. In den jüngeren Nachrichten in der Lokalzeitung geht es etwa um einen Supermarkt-Neubau, die Hauptversammlung des Harmonika-Clubs und eine Ausstellung von Hobbykünstlern.
Und doch: Es brodelt primär im Seitinger Teil der Doppelgemeinde. So sehr, dass sich in deren Amtsblatt eine Mitteilung findet, die ihresgleichen sucht. Die Schlagzeile dort: „Sicherheitslage nach Einbruchserie.“ Darunter steht:
Eine Einbruchserie durch einen Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft … verunsichert in den letzten Wochen die Bevölkerung, … Bürgermeister Jürgen Buhl steht deswegen in engem Kontakt mit dem Polizeirevier Tuttlingen und der Ausländerbehörde beim Landratsamt Tuttlingen. Die Behörde arbeitet eng mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an einer zeitnahen Abschiebung der betreffenden Person. Eine Festnahme durch die Polizei ist aus verschiedenen rechtlichen Gründen zeitnah leider nicht möglich.
Weiter steht in dem Text, dass es sich bei dem mutmaßlichen Serieneinbrecher „um einen 22-jährigen Tunesier“ handelt, „der hauptsächlich Französisch spricht. Er ist überwiegend mit einer schwarzen Lederjacke und blauen Turnschuhen bekleidet.“
Das ist ungewöhnlich: Eine Täternennung, ohne dass der Betreffende bereits verurteilt worden wäre. Die Fälle, die dem jungen Mann vorgeworfen werden, sind allenfalls im Ermittlungsstadium. Wie bei großen deutschen Rockmusikern auch: Es gilt die Unschuldsvermutung.
Und doch scheint hier alles auf der Hand zu liegen. Seitingen-Oberflachts Bürgermeister Jürgen Buhl bestätigt auf Nachfrage der NRWZ, dass der Text authentisch und so im Amtsblatt erschienen sei. Dem jungen Tunesier aus der Gemeinschaftsunterkunft wird darin tatsächlich eine ganze Einbruchserie in Seitingen vorgeworfen.
Die Unterkunft liegt am Ortsrand der Doppelgemeinde. Ein Zweckbau. Die Menschen, die in der direkten Umgebung wohnen, seien „extrem verunsichert“ gewesen, erläutert der Bürgermeister. „Dort leben auch viele junge Familien mit kleinen Kindern.“
Die Polizei bestätigt das Ganze. Grundsätzlich. So schreibt eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Konstanz auf Nachfrage der NRWZ, dass man die Person im Blick habe, „die vorwiegend durch Ordnungsstörungen und Kleinkriminalität von sich reden machte.“ Und worüber reden wir? Im Zeitraum Mai 2023 bis heute wurden der Polizei drei Einbrüche in der Gemeinde angezeigt, darunter ein versuchter Diebstahl aus einem Wohnhaus, bei dem der Täter auf frischer Tat festgenommen werden konnte, ein Einbruch in eine Gaststätte sowie der Aufbruch eines Kraftfahrzeuges. Bei dem Festgenommenen habe es sich aber nicht um den mutmaßlichen Serientäter aus Tunesien gehandelt.
Überdies seien vier einfache Diebstähle aus unverschlossenen Kfz im selben Zeitraum angezeigt worden. „Die besagte Person wurde stets in die polizeilichen Überprüfungen einbezogen, die Täterschaft konnte bislang nicht in allen Fällen ermittelt werden“, sagt die Polizeisprecherin.
In der Doppelgemeinde ist an (klein-)kriminellen Taten in jüngerer Zeit also einiges geboten, aber: „Bis dato steht der Nachweis, dass der genannte Mann für alle genannten Straftaten als Täter in Betracht kommt, aus“, sagt die Sprecherin des Polizeipräsidiums. Dennoch seien seine Akten an zentraler Stelle zur Einleitung weiterer Maßnahmen zusammengeführt worden. Und grundsätzlich gelte: „Justiz und Polizei arbeiten insbesondere bei Ermittlungen gegen wiederholt auffällige Tatverdächtige eng zusammen“, erklärt die Beamtin. So sei die Bündelung aller Erkenntnisse auch im Hinblick auf die Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen von grundlegender Bedeutung. Also für die Abschiebung.
Im Dorf ist man sich jedenfalls sicher: Der junge Mann stört. Oder, wie es Bürgermeister Buhl sagt: „Durch das „äußerst freche Auftreten des Täters, der die Einbrüche zum Teil am helllichten Tage begangen hat“, sei das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung „extrem beeinträchtigt“ gewesen. Er habe zahlreiche Anrufe und E-Mails erhalten und sei aufgefordert worden, „in der Sache endlich etwas zu unternehmen“. Daher habe er mit der Polizei Kontakt aufgenommen und die Bevölkerung aus dem betroffenen Quartier zu einer Infoveranstaltung zusammen mit der Polizei eingeladen. Am 11. Juli habe diese stattgefunden.
Zunächst sei es auf der Infoveranstaltung recht heiß hergegangen. Buhl erinnert sich: „In den Reihen der betroffenen Bürgerschaft gab es durchaus Stimmen, die die zu Beginn der Infoveranstaltung etwas aufgeheizte Stimmung dafür nutzen wollte, allgemein gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in der Gemeinschaftsunterkunft Seitingen Stimmung zu machen. Mit dem Hinweis, dass seit 2017, als die Gemeinschaftsunterkunft eröffnet wurde, erst zwei derartige Fälle aufgetreten sind, konnten wir diese wieder einigermaßen einfangen.“
Im Nachgang hätten die Verwaltung und er viel Lob für die abgehaltene Informationsveranstaltung bekommen. „Sie hat dazu beigetragen, dass viele mit der Angelegenheit besonnener und pragmatischer umgehen.“
Und nun? Hoffen auf die Abschiebung des Unruhestifters und mutmaßlichen Serientäters. Oder, wie Bürgermeister Buhl es ausdrückt: „Da von der Ausländerbehörde beim Landratsamt die Abschiebung des jungen Mannes innerhalb von circa vier Wochen in Aussicht gestellt wurde, überlegten die Bürger zusammen mit der Polizei und der Verwaltung, wie man diese Zeit – solange er noch auf freiem Fuß ist – ohne große Gefahren überstehen könnte.“ Details dazu gab es auf der Infoveranstaltung von der Polizei. Vom Leiter des Reviers Tuttlingen, von Matthias Wörner. Dieser habe den Bürgerinnen und Bürgern erklärt, was zulässig ist und was nicht. Und er gab Tipps, wie man sich dem Täter gegenüber verhalten soll.
Die Polizei weist demnach darauf hin, dass sich Grundstückseigentümer und Hausbewohner mit dem Polizeirevier Tuttlingen in Verbindung setzen sollten, wenn der junge Mann private Grundstücke betritt. Dort dürfe er zur Beweissicherung im Strafverfahren fotografiert werden. Sollte jemand bedroht werden (Gesundheit, Leben, Eigentum), sollte ebenfalls zuerst die Polizei verständigt werden. Leider aber sei das Polizeirevier Tuttlingen nicht in einer solchen Stärke besetzt, dass Beamte die Umgebung der Gemeinschaftsunterkunft in Seitingen-Oberfacht durchgehend und dauerhaft überwachen könnten. Die Mitarbeiter des Polizeireviers legten aber ein erhöhtes Augenmerk auf diesen Fall und würden um Information über alle Vorfälle im Zusammenhang mit dieser Person bitten, so Buhl.
Auch die Polizeibeamtin bestätigt: „Das Polizeipräsidium Konstanz nimmt die Sorgen der Bevölkerung und des Bürgermeisters der Gemeinde Seitingen-Oberflacht ernst und wird auch die Streifentätigkeit in diesem Bereich anpassen.“
Die Gefahr besteht laut dem Bürgermeister damit aber weiterhin, dass der junge Mann mit seinen Diebstahldelikten einerseits weitermacht, sein Gebiet andererseits auch über die direkte Umgebung der Unterkunft hinaus erweitert. Daher habe die Verwaltung mit Buhl an der Spitze zusammen mit Gemeinderäten entschieden, die Warnung abzudrucken.
Es sei zudem ein großer Wunsch der Bürgerschaft gewesen, dass die Telefonnummer des Polizeireviers Tuttlingen, das auch nachts erreichbar ist, im Amtsblatt veröffentlicht wird. „Dies wurde auch bereits in Anspruch genommen“, so Buhl, „als der junge Mann in der Zwischenzeit wieder die privaten Grundstücke betrat und um die Häuser schnüffelte.“
Die Security-Mitarbeiter an der Gemeinschaftsunterkunft seien derweil angewiesen, dem Polizeirevier Tuttlingen zu melden, wenn diese Person die Unterkunft verlässt, „sodass eine erhöhte polizeiliche Aufmerksamkeit gewährleistet werden kann“.
Der Bürgermeister abschließend: „Wir alle hoffen, dass sich die Sache bald erledigt und das gewohnte Sicherheitsgefühl in Seitingen-Oberflacht wieder einkehren kann.“
Im Klartext: Auch er hofft auf baldige Abschiebung des mutmaßlichen Missetäters.
Mich befremdet etwas der, sagen wir mal, leicht ironische Unterton dieser Meldung. Der Redakteur scheint den Aussagen der Gemeindemitglieder nicht richtig zu glauben. Vermutet er, dass die Anschuldigungen rassistisch motiviert sind?
Im Umgangsdeutsch gibt es eine Redensart: „Man kennt seine Pappenheimer.“ Oft stehen Bürger vor dem Problem, dass die Polizei sagt: „Wir können nichts tun.“ Ich kenne das aus meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Nur sind es hier Rumänen. Die Mitglieder der Großfamilie brechen in Keller ein, oder „leihen“ sich ungefragt Fahrräder. Konfrontiert man sie damit, sind am nächsten Tag die Bremsschläuche durchschnitten. Meine Nachbarin wollte die Polizei nicht selber rufen, aus Angst vor Racheaktionen. Als ich die Beamten auf dem Revier anrief und um mehr Polizeipräsenz wegen dieser Angelegenheiten bat, ermahnte mich der Beamte, ich solle keine unbewiesenen Anschuldigungen äußern , sonst bekäme ich eine Anzeige.
Das ist Deutschland heute. Ich glaube den Einwohnern von Seitingen-Oberflacht. Ich hoffe, sie werden den Störenfried schnell los!
Der Redakteur setzt eigentlich nur die Aufregung samt öffentlicher Warnung vor einer als Intensivtäter identifizierten Person den Erkenntnissen der Polizei entgegen, die „nur“ Ordnungsstörungen und Kleinkriminalität sieht. Sie dürfen gerne Ihre Schlüsse daraus ziehen, einer Seite glauben, der Redakteur sollte schon versuchen, sich nicht vereinnahmen zu lassen.
Und was den ironischen Unterton angeht: Diesen legt der Redakteur eigentlich immer unter seine Texte, ein altes Leiden, das offenbar schwer in den Griff zu bekommen ist. Dass Sie die Ironie als leicht wahrnehmen, ist aber ein gutes Zeichen. Dann ist er immerhin auf dem Wege der Besserung.
Ich bin der Meinung das ein Land, eine Gemeinde, eine Abschiebung gar nicht begründen muss!
Es muss reichen, wenn sich Bürgermeister und Gemeinderat einig sind, dass wie in diesem Fall Gründe vorliegen, jemanden nicht länger zu unterstützen, zu beherbergen und zu dulden!
Diese Person sollte SOFORT in Abschiebehaft genommen werden und bei nächster Gelegenheit dem Nachbarland zugeführt werden, über welches sie nach Deutschland eingereist ist!
Ups dann kommt aber ProAsyl …
Ich verstehe das auch nicht mehr. Unser Land wird regelrecht vorgeführt wie man das „Michele“ machen kann. Das verlangt nach mehr Härte und das färbt auch auf die restl
Gesellschaft ab. Man muss sich schon fragen was ein Schutzsuchender dazu bewegt sich derart aufzuführen.
„Schutzsuchender aus Tunesien!“ macht man da nicht Urlaub?