Ein Mann aus Rottweil soll – vor einer entsprechenden Gesetzesänderung – in einer Apotheke in Schömberg einen gefälschten Impfnachweis vorgelegt haben, um ein digitales Impfzertifikat zu bekommen. Ob er sich damit strafbar gemacht hat, wird nun wohl der Bundesgerichtshof entscheiden. Denn nachdem das Landgericht Hechingen den 52-Jährigen freigesprochen hatte, hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
Innerhalb der Rechtswissenschaft sind sie sich uneins und höchstrichterlich geklärt ist die Frage im Grundsatz bislang auch nicht: Hat sich ein 52-Jähriger aus Rottweil der Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem er am 8. November 2021 einen gefälschten Impfnachweis in einer Apotheke in Schömberg vorgelegt hat, um ein digitales Impfzertifikat zu bekommen (wir berichteten)?
Der entsprechende Paragraf 279 StGB zum Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse sah bis zum 24. November 2021 vor, dass nur Behörden oder Versicherungsgesellschaften mit einem unrichtigen Gesundheitszeugnis getäuscht werden können. Dazu gehören Apotheken aber nicht.
Paragraf 279 StGB (alt): „Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“
Paragraf 279 StGB (neu): „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.“
Es ist umstritten, ob in diesem Fall auch eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung gemäß Paragraf 267 StGB zur Anwendung kommen kann oder diese „gesperrt“ ist, hatte Ronny Stengel, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hechingen, unserer Redaktion gesagt.
Dieser Fall steht exemplarisch für viele in Deutschland und soll nun vom Bundesgerichtshof endgültig geklärt werden – das war das erklärte Ziel der Staatsanwaltschaft Hechingen.
Staatsanwaltschaft will Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Die hat nämlich Revision gegen das jüngste Urteil des Landgerichts Hechingen eingelegt. Die 1. Große Strafkammer hat den Mann laut einer Pressemitteilung am Montag aus Rechtsgründen freigesprochen.
Der Mann, so schreibt das Landgericht, habe durch die Vorlage des Impfnachweises ein digitales Impfzertifikat bekommen wollen. Die Staatsanwaltschaft erhebt deshalb den Vorwurf der Urkundenfälschung und hat wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage zum Landgericht erhoben.
Landgericht Hechingen sah keine Strafbarkeit
Der Fall hat eine außergewöhnliche Historie: Die Strafkammer hatte zunächst am 25. Januar beschlossen, das Hauptverfahren aus Rechtsgründen nicht zu eröffnen.
Das angeklagte Verhalten sei, zum genannten Zeitpunkt, noch nicht strafbar gewesen. Die Kammer sah darin eine Strafbarkeitslücke, die inzwischen vom Gesetzgeber geschlossen wurde. Der Mann wäre demnach straffrei davongekommen.
Oberlandesgericht lässt Anklage dann doch zu
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hatte das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 8. März die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren zur Verhandlung vor dem Landgericht Hechingen dann doch noch eröffnet.
Das Oberlandesgericht hatte erklärt, dass der Gesetzgeber Gesundheitszeugnisse nicht anders behandeln wollte als sonstige Urkunden. Und deshalb gelten aus Sicht des Senats gefälschte Impfpässe als gefälschte Urkunden.
Doch die Hechinger Strafkammer war nicht an das Oberlandesgericht gebunden und hatte die Sache eigenständig zu würdigen, wie es in der Pressemitteilung heißt.
Landgericht Hechingen spricht Mann frei
Dort ist der Mann „nach erneuter eingehender Beratung unter Berücksichtigung der Gründe des Beschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart“ freigesprochen worden.
Die Hechinger Kammer sah keine Strafbarkeit nach den speziellen Normen über die Strafbarkeit der Fälschung von Gesundheitszeugnissen, heißt es in der Pressemitteilung.
Diese Vorschriften hätten eine sogenannte Sperrwirkung, so die Auffassung der Kammer, weshalb der Mann wegen seines Verhaltens in diesem Zeitraum nicht wegen Urkundenfälschung verurteilt werden kann.
Bundesgerichtshof kann Grundsatzfrage klären
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Auf die bereits eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat nunmehr der Bundesgerichtshof erstmals die Gelegenheit, die umstrittene und grundsätzliche Frage zum Verhältnis der Vorschriften der Fälschung von Gesundheitszeugnissen zur Urkundenfälschung höchstrichterlich zu klären.