Berufsbezogene Impfpflicht – Stiftung St. Franziskus in großer Sorge

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Die im Dezember vom Gesetzgeber verabschiedete berufsbezogene Impfpflicht für die Pflege-, Gesundheits- und die Sozialbranche wird weitreichende Folgen mit sich bringen. Es drohen Schließungen von einzelnen Bereichen. Das teilt die Stiftung St. Franziskus mit. Das sozialwirtschaftliche Unternehmen beschäftigt 2400 Menschen. Diese betreuen an mehr als 30 Standorten rund 6000 für Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderung sowie ältere Menschen.

Die aktuellen Corona-Entwicklungen beobachten die Stiftungsverantwortlichen laut der Pressemitteilung mit großer Sorge. Die durch die Omikronvariante exponentiell steigenden Infektionszahlen, sowie die wieder knapper werdenden Krankenhaus- und Intensivbetten seien bedrohlich, gerade auch für die in den Stiftungseinrichtungen betreuten Menschen. Die Stiftung St. Franziskus unterstützt daher nach eigenen Angaben die getroffenen Maßnahmen, wie etwa eine erweiterte Testpflicht in Einrichtungen der Pflege, die 3G- oder 2Gplus-Regel. Zudem müsse alles dafür getan werden, mehr Menschen, sofern ihnen möglich, für eine Impfung zu gewinnen. „Impfen und Testen sind unseres Erachtens die wirksamsten Mittel zur Überwindung der Coronapandemie“, so die Vorstände der Stiftung St. Franziskus Dr. Thorsten Hinz und Stefan Guhl.

Mit Sorge blicken die beiden Vorstände auf die vom Gesetzgeber verabschiedete berufsbezogene Impfpflicht, die ab dem 16. März von allen Einrichtungen umgesetzt werden muss. Das sei im Hauruckverfahren geschehen, heißt es in der Mitteilung der Stiftung. Ab diesem Tag können die Gesundheitsämter Betretungs- und Beschäftigungsverbote für ungeimpfte Mitarbeitende aussprechen.

300 Mitarbeitende ungeimpft – Verlegungen drohen

In der Stiftung St. Franziskus sind nach deren Angaben derzeit von rund 2400 Mitarbeitern etwa 300 nicht geimpft. Die Gründe, sich nicht impfen zu lassen, seien sehr vielfältig. Den Vorständen ist es mit Blick auf die Umsetzung der berufsbezogenen Impfpflicht aktuell weniger entscheidend, auf die moralischen oder politischen Gründe von Impfskeptikern zu schauen, als vielmehr auf die schweren Versorgungsengpässe hinzuweisen, die drohen, wenn allein fünf Prozent der Mitarbeitenden der Stiftung mit einem Betretungs- und Beschäftigungsverbot belegt würden. „Es gäbe Bereiche in der Alten- und Behindertenhilfe, die wir aufgrund der fehlenden Fach- und Arbeitskräfte kaum noch aufrechterhalten könnten. Unter Umständen müssen dann auch Pflegebedürftige oder Klienten mit Behinderung verlegt oder anderweitig versorgt werden als bisher. Das wäre für alle Beteiligten sehr bedrückend und belastend“, so Andrea Weidemann und Nicole Bauknecht, Aufgabenfeldleiterinnen der Behindertenhilfe.

Auf großes Unverständnis trifft das Gesetz der rein berufsbezogenen Impfpflicht ebenso bei den Mitarbeitervertretungen der Stiftung. Dazu Monika Gutbrod, Mitarbeitervertreterin der Altenhilfe: „Die berufsbezogene Impfpflicht verschärft die bereits jetzt schon angespannte Personalsituation und sorgt bei den Mitarbeitern für große Unsicherheit. Dass nur ein Teil der Gesellschaft von dieser Maßnahme betroffen ist, bringt viel Unmut. Die Bekämpfung der Pandemie liegt in der Verantwortung der Gesamtgesellschaft.“

Forderungen an die Politik

Andere Sozialunternehmen bestätigen vergleichbare Szenarien. Die Stiftung St. Franziskus fordert deshalb von der Politik, Lösungen für die Umsetzung der berufsbezogenen Impfpflicht zu finden, die weder zu Lasten der Mitarbeitenden noch zu Lasten der alten, pflegebedürftigen und behinderten Menschen gehen. „Weder darf jemand wegen der berufsbezogenen Impfpflicht seinen Arbeitsplatz verlieren noch darf die ohnehin sehr belastete Versorgungsstruktur weiter destabilisiert werden“, so die Vorstände Guhl und Hinz.

Der Stiftung St. Franziskus ist es nach eigenen Angaben wichtig, dass die Politik für alle Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg eine einheitliche Umsetzung festlegt, die auch die zuständigen Gesundheitsämter nicht überfordert. Bevor Betretungs- oder Beschäftigungsverbote ausgesprochen werden müssen, sollte es die verbindliche Prüfung des Einsatzes von deutlich milderen Mitteln geben, wie beispielsweise eine Verknüpfung der Impfpflicht an der Infektionslage und der Intensivbettenauslastung in der jeweiligen Situation vor Ort.

Erschöpfte Mitarbeiter bitten um Arbeitszeugnisse

Da inzwischen immer mehr Mitarbeitende um die Ausstellung von Arbeitszeugnissen bitten, ist es dem Aufgabenfeldleiter der Altenhilfe Boris Strehle zudem wichtig, dass die Politik schnell Lösungen und Orientierungen findet: „Nach 21 Pandemie-Monaten sind alle Mitarbeitenden sehr belastet und erschöpft. Wenn jetzt noch fünf Prozent der Mitarbeitenden ein Beschäftigungsverbot erhielten, wäre das vor allem ein nicht vertretbarer Stress für diejenigen, die dann ab dem 16. März die Versorgung aufrechterhalten müssten. Das kann nicht das Ziel einer Impfpflicht gewesen sein, dass dann irgendwann auch die geimpften Mitarbeitenden die Arbeit in der Pflege aus Gründen von Überlastung aufgeben.“

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