Die dunklen Wochen des Jahres erinnern an Vergänglichkeit und Verlust. Steht im November der Tod im Vordergrund, so richtet sich im Dezember der Blick verstärkt auf Trost und Neubeginn. Diese beiden Pole umspannt auch ein behutsames Buch der Journalistin Stefanie Siegmeier über Trauer und Abschiednehmen.
Er gehört zum Leben dazu, wird in der Gesellschaft aber oft verdrängt und tabuisiert: Nicht erst die Corona-Pandemie, in der bittererweise viele Menschen allein sterben mussten, hat aufgezeigt, dass unser Verhältnis zu Sterben, Tod und Trauer gewaltige Fragen aufwirft – und viel über einen Zeitgeist aussagt, der von Individualismus und Bindungslosigkeit geprägt ist.
Womöglich gehört das aber auch schon wieder bald der Geschichte an. Denn es tut sich etwas im Umgang mit Tod und Trauer. Das ist eine Erkenntnis, die man aus dem schönen Buch von Stefanie Siegmeier mit dem bildkräftig-poetischen Titel „Trauer ist eine Blüte der Liebe“ ziehen kann.
Eigene Erfahrungen mit dem Verlust lieber Menschen haben Siegmeier dazu angeregt, diesen 94-Seiten-Band, der als „Lesebuch“ über Abschied, Tod und Seelenschmerz firmiert, zusammenzutragen.
Dass die Journalistin das schwierige, facettenreiche Themenfeld journalistisch angeht, tut dem Band gut. Denn Siegmeier trumpft nicht mit fertigen Weisheiten auf. Sie fragt, hört zu. Geht ins Gespräch mit Menschen, die beruflich mit dem Thema befasst sind. Und vielen, die Erfahrungen damit gemacht haben.
Zum Beispiel junge Frauen, die von ihrem persönlichen Erleben und dem Umgang mit Sterben und Tod erzählen. Da entsteht beim Lesen eine Nähe und Direktheit, für die es ansonsten ein vertrauensvolles persönliches Gespräch bräuchte. Oder die Sargbauerin Heike Braun aus Spaichingen und der Rottweiler Bestatter Frank Hertkorn. Beide geben wertvolle Einblicke in ihrer Arbeit, die mindestens so sehr die Lebenden wie die Toten betrifft.
Dabei erfährt man viel über den Wandel, der sich in Trauer- und Bestattungskultur langsam vollzieht – wieder weg vom entkoppelten Sterbenlassen und der Symbolarmut, die man zeitweise als „fortschrittliches“ Abwerfen von vermeintlichem Traditions-Ballast sah.
Ja, es gibt wieder ein wachsendes Bedürfnis nach Einbindung des Todes ins Leben. Und nach Formen und Zeichen, um damit umzugehen. Das zeigt sich etwa an Kleinigkeiten wie den lange als verstaubt geltende Kondolenz-Karten. Die erleben eine regelrechte Renaissance. Was potenziell die Frage aufwirft, warum unsere Kultur so viel erst vergessen will, bevor sie es staunend wiederentdeckt.
Das Nebeneinander von Erfahrungen und Perspektiven macht das Buch lebensnah und vielstimmig. Schön sind Hinweise zu „Kraftorten“ wie „Hasenwirts Käppele“ oder der neuen Josefskapelle auf dem Wanderweg zum Dreifaltigkeitsberg.
Bereichert wird der Band auch dadurch, dass mehrfach Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen. Etwa Tobias Kammerer, dessen Werke existenzielle Themen immer wieder spiegeln. Oder Angela M. Flaig aus Hausen, die in ihren wundervollen Pusteblumen-Objekten den Kreislauf des Lebens von Werden und Vergehen aufzeigt.
Im Panorama der Stimmen sucht man eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger freilich vergebens. Diese Perspektive fehlt. Sie wird allenfalls durch die Vinzentinerin Schwester Rosalie eingebunden, die im seit 2011 bestehenden Hospiz auf am Dreifaltigkeitsberg mit großer christlicher Nächstenliebe mithilft, dass Menschen ihre letzten Tage und Stunden ohne Schmerzen und in Geborgenheit verbringen können.
Irgendwie durchzieht das Tröstende und damit Christliche den Band freilich insgesamt. Als sanfter Grundton, dass der Tod nicht das Ende ist, und auf die Dunkelheit der Trauer, wenn man sie zulässt, auch wieder Licht folgen kann. Lesenswert ist Stefanie Siegmeiers ganz in der Region verwurzeltes Buch in jedem Fall. Ob man mit dem Thema nun gerade stark konfrontiert ist, oder auch nicht.
Info: Das Buch „Die Trauer ist eine Blüte der Liebe“ ist im Buchhandel für 14,95 Euro erhältlich.