Region Rottweil. Dass bei einer durchgängigen Tempo-30-Regelung der Verkehrslärm auf der B27 durch Schömberg stark abnimmt, haben die Fasnetstage eindrucksvoll gezeigt. Wegen des Narrentreibens wurde kurzerhand Tempo 30 rund um die Uhr angeordnet. Die Wirkung war hörbar – der Lärm war geringer. Nun fordern Anwohner an der B27 erneut Tempo 30 rund um die Uhr und sammeln dafür Unterschriften.
Initiiert wurde die Aktion von Birke und Wolfgang Glinschert sowie Anette und Holger Kiene – beide Ehepaare wohnen direkt an der B27 und sind überzeugt: Mit einem umfassenden Tempolimit könnte einiges verbessert werden.
Dabei könnte den Schömbergern ausgerechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Seite stehen. Denn die veröffentlichte schon 2018 Leitlinien für Umgebungslärm für die Europäische Region. Für die durchschnittliche Lärmbelastung empfiehlt die WHO in ihren Leitlinien, „durch Straßenverkehr bedingte Lärmpegel auf weniger als 53 Dezibel (dB) zu verringern, weil Straßenverkehrslärm oberhalb dieses Wertes mit schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen verbunden ist.“ In der Nachtzeit wird sogar empfohlen, auf 45 Dezibel (dB) zu verringern, um die gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu minimieren.
Höhere Lärmwerte
Zum Vergleich: Der Grenzwert, der auch für Schömberg gilt, liegt bei 70 dB/A. In Schömberg wurden bereits durchschnittliche Lärmpegel von 73 dB/A ermittelt. Selbst wenn man die Geschwindigkeit tagsüber auf 30 Stundenkilometer begrenzt, würde der Lärmpegel immer noch bei 70,5 db/A im Schnitt liegen, also weiter den Grenzwert überschreiten.
Die Stadtverwaltung führte im Herbst 2019 eine Umfrage bei den Anwohnern durch. Damals sprachen sich lediglich 14 Anlieger für eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus, 27 waren dagegen. Kritisiert wurde von einigen Schömbergern, die direkt an der B27 wohnen, dass die entscheidende Frage an eine weitere Frage, die einen schnellen Bau einer Umgehungsstraße fordert, gekoppelt war. Letztlich ordnete das Regierungspräsidium Tübingen die Reduzierung auf Tempo 30 zwischen 22 und 6 Uhr trotz Bürgervotums an. „Es geht um die Gesundheit der Anwohner“, begründete der damalige RP-Pressesprecher Dirk Abel die behördliche Anordnung.
Ortsumfahrung beste Lösung
„Natürlich wäre auch uns eine Umfahrung das allerliebste“, führt Holger Kiene im Gespräch mit unserer Zeitung aus. In einem Brief an die Verwaltung legten Birke und Wolfgang Glinschert die Lärmproblematik dar und beantragten eine zeitlich unbegrenzte Tempo-30-Zone. Die Gemeinderäte beschlossen in ihrer jüngsten Sitzung einstimmig, dass eine eventuelle Neubewertung der Geschwindigkeitssituation in der Ortsdurchfahrt erfolgt, wenn die Ergebnisse der von Stadt und Gemeinderat forcierten Lärmaktionsplanung vorliegen.
Was in der Sitzung deutlich geworden ist: Viele Gemeinderäte befürchten, dass sich durch eine umfassende Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer die B27-Umfahrung verzögern könnte. Das ist auch der Grund, weshalb die geplante Querspange zwischen der Kreisstraße nach Zimmern und der Landesstraße nach Dautmergen am Industriegebiet Nord vorbei nur als ein Provisorium geplant ist und immer seitens der Stadt darauf hingewiesen wird, dass diese Verkehrsentlastung keinesfalls den provisorischen Charakter verlieren darf.
Hupen als Problem
Die Unterschriftenaktion läuft schon seit einigen Wochen. Die Liste liegt in einigen Läden öffentlich aus, Holger Kiene hat aber auch schon bei Verwandten und Bekannten für sein Anliegen geworben. Er weist darauf hin, dass nicht nur der Verkehrslärm problematisch ist. Einigen Autofahrern ist beispielsweise nicht bewusst, dass die Tempo-30-Schilder nur auf die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Nacht hinweisen. Und die fahren dann auch untertags mit reduzierter Geschwindigkeit. „Dann hupen auch schon mal andere Verkehrsteilnehmer, wenn es ihnen zu langsam ist“, so Kiene. Gerade Lastwagenhupen können dabei einen Höllenlärm machen.
Vor allem morgens sei der Lärmspiegel besonders störend, sagt Kiene. Aber auch wenn er aus seinem Wohngebiet nach links auf die B27 abbiegen will, sind gute Nerven notwendig. Wenn der Verkehr langsamer wäre, ist sich der direkte Anlieger sicher, wäre auch dieses Problem kleiner.
Vorteil für Hotelgäste
Auch Heiko Baier, Inhaber des Café Baier, wohnt direkt an der B27. Für seine Hotelgäste sei Tempo 30 in den Nachtstunden von Vorteil. Dass da der Verkehr um einiges ruhiger läuft als vor der Geschwindigkeitsbegrenzung, kann Baier bestätigen. Wenn der Bäckermeister gegen vier Uhr in die Backstube geht, spürt er täglich, dass der Lärm geringer geworden ist. „Es ist definitiv sinnvoll“, sagt er, „es ist bei Nacht viel leiser geworden.“ Er hofft darauf, dass sich die Situation auch dann entspannen könnte, wenn zukünftig immer mehr E-Autos unterwegs sind.
Dass man bei der Schömberger Stadtverwaltung mit der Umsetzung einer ganztägigen Tempo-30-Zone durch Schömberg immer noch zaudert, verstehen viele Anlieger nicht. Denn in Endingen wird der Verkehr schon seit einigen Jahren auf der B27 durch die Ortsdurchfahrt abgebremst. Und erst vor wenigen Wochen hat die Stadt Rottweil im Ortsteil Neukirch nachgezogen. Auch dort werden die direkten Anlieger mit Tempo 30 vor der Lärmbelästigung geschützt. Und zwar nicht nur in den Nachtstunden, sondern rund um die Uhr.