Eine leere Seite, der Cursor blinkt. Er wartet auf Eingaben. Im Hintergrund sphärische Klänge zur Konzentration, im Vordergrund dampft Tee. Ich habe angekündigt, etwas zu unserem runden Geburtstag zu schreiben. Einen ganz persönlichen Rückblick auf „20 Jahre Neue Rottweiler Zeitung, NRWZ“. Und bis vor ein paar Minuten dachte ich: kein Problem, das reißt Du kurz runter. Von wegen. Denn 20 Jahre sind eine ganz schön lange Zeit. Es ist viel passiert.
Brüllender Nachbar
Da Journalisten in Extremen denken, lassen Sie uns vielleicht mit dem Moment in den vergangenen 20 Jahren beginnen, den ich bis heute für den verrücktesten und unverständlichsten halte. Es ist der 30. Januar 2023, im Neckartal spricht Agnes Strack-Zimmermann, genannt „Panzer-Agnes“. Auf der anderen Seite des Flusses haben sich einige Hundert Gegendemonstranten versammelt. Ich schiebe mich durch die Menschenmenge, will wissen, was sie gegen die Politikerin aufbringt, will Bilder machen.
Da treffe ich auf einen Bekannten. Ein Nachbar aus der Rottweiler Innenstadt, in der ich damals noch wohne. Ein Mann, der samt seiner Frau fünf Jahre zuvor noch bei meinem 50. Geburtstag eingeladen war. Nun, schon damals standen die beiden abseits. Er ist inzwischen ein bekennender Vertreter der Corona-Maßnahmen-Kritiker und Querdenker. Plötzlich dröhnt dieser Mensch los, mit weit aufgerissenen Augen, mir mitten ins Gesicht: „Lügenpresse, Lügenpresse!“ Er schießt auch seinen Zeigefinger im Takt zu seinem Geschrei in meine Richtung. Für einen Moment nehme ich das nicht recht ernst, der Mann ist rund einen Kopf kleiner als ich, ich nahm ihn nicht als bedrohlich wahr.
Da kommt ein Zweiter hinzu, ein Hüne, der ebenso losbrüllt. Mir wird klar, dass die beiden die vielen anderen aufwiegeln könnten, der Kleine versucht das auch bei den Umstehenden, mir wird mulmig. Also setze ich ein entschuldigendes Lächeln auf und schiebe mich durch die Menschenmenge, schaue, dass ich da herauskomme. Die beiden treiben mich brüllend vor sich her – bis auf einmal Schluss ist, beide verschwunden sind. Ich war gerade aus dem Pulk der Demonstranten herausgetreten, fünf oder sechs Polizeibeamte standen mir gegenüber, da wollten die beiden Querdenker offenbar keinen Stress mehr machen. Ich war „in Sicherheit“. Das setze ich in Anführungszeichen, weil ich es bis heute nicht verstehe, wie ein globaler Konflikt derart die Gehirne von Leuten vernageln kann. Lokaljournalisten, die von Demonstranten körperlich angegangen werden, das gab es in Leipzig. Aber doch nicht in Rottweil?
5:0 für die Kritikerin
Das allerdings macht den Job des Lokaljournalisten aus: Er sieht sich seinen Kritikern, jenen, die ihn vielleicht sogar hassen, direkt gegenüber. „Da kommt der Psycho!“, schallt es mir im Dezember 2021 auf dem Wochenmarkt entgegen. Es ist Corona-Zeit. Der Mann, der jetzt auf mich zeigt, hatte eine heimliche alternative Schule im Rottweiler Neckartal eröffnet, die ich dann entdeckt und über die ich in der NRWZ berichtet habe. Etwa zur selben Zeit hält mich eine mir unbekannte Frau in der Innenstadt an. Sie wolle mir nur mitteilen, wie schäbig das von mir gewesen sei, die Schule auffliegen zu lassen. Meine Argumente interessieren sie nicht. Das Gespräch endet aus ihrer Sicht vermutlich 5:0.
Überwindung hat montags auch der Besuch der Corona-Spaziergänge gekostet. Wenn es dann wieder „Da ist der Arnegger!“ aus dem Zug dunkel gekleideter Menschen schallte. Ich denke, dass diese Menschen nie begriffen haben, wer hier Gesetze macht und wer der Bote ist. Natürlich haben wir, habe vor allem ich immer wieder zu verstehen gegeben, dass ich die Beweggründe der Montagsdemonstranten und vor allem ihr Verhalten nicht begreife. Aber wir waren es auch, die immer wieder über ihre Proteste berichtet und die sie gemeinsam mit der örtlichen Tageszeitung auch hochgeschrieben haben. Wir haben ihre Argumente gebracht – und wurden dafür angegriffen, nicht ausschließlich ihre Argumente gebracht zu haben. Das finde ich in hohem Maße schräg.
Gott sei Dank ist diese Zeit vorbei. Zeit, in der aus meiner Sicht Solidarität gefordert war, Geduld auch. Verständnis füreinander und für drastische, aber aus damaliger Sicht (!) notwendige Maßnahmen. Da war etwa Silvester 2021, das wir im kleinen Kreis mittags ab 14 Uhr gefeiert haben, weil unsere Gäste um 20 Uhr zu Hause sein mussten. Ausgangssperre. Wir haben auch das überstanden. Ich sah die NRWZ in jener Zeit als ein Kommunikationsmittel zwischen der Politik als Gesetzgebung und den Menschen in und um Rottweil. Aus meiner Sicht galt es damals nicht, Maßnahmen infrage zu stellen, zu diskutieren, sondern zu vermitteln und zu begründen. Es galt, eine Pandemie zu überstehen. Für eine Manöverkritik würde später Zeit sein.
Das haben einige Menschen anders gesehen. Das ist ihr gutes Recht. Und es ist meines, meinen Standpunkt zu haben. Doch eines hat mich die Zeit als Herausgeber der Lokalzeitung NRWZ gelehrt: Es meckert immer jemand. Egal, was Du machst.
„Berichtet die NRWZ jetzt aus Italien?“
Abseits all dessen – die sogenannte Flüchtlingskrise um 2015 klammern wir mal aus – ist Lokaljournalist ein schöner Job. Da ist diese Szene in Italien, in einem Ort namens Maccagno con Pino e Veddasca, direkt am Lago Maggiore gelegen. Ich warte gerade mit meinem Hund Jasper draußen, während meine Frau in einem Supermarkt einkaufen geht, da fragt mich jemand: „So, berichtet die NRWZ jetzt aus Italien?“ Ein breites, freundliches Strahlen begleitet die Frage. Ein Leser aus Rottweil, der am Lago mit dem Fahrrad unterwegs ist, hat mich entdeckt, wir unterhalten uns kurz. Das sind die Momente, die ich mag.
Oder auch, den Oberbürgermeister-Wahlkampf 2022 eng begleitet, die Kandidaten doch recht gut kennengelernt zu haben. Samt dem Herrn von der AfD. Apropos: Ja, ich besuche Veranstaltungen wie den AfD-Parteitag ganz gerne. Wenngleich die Chance besonders groß ist, dort auf Menschen zu treffen, die mich für einen ausgemachten Dreckskerl halten und das auch kundtun. Doch Du kannst nicht Lokaljournalist sein und eine Memme. Du musst schon etwas einstecken können, bist ja wahrscheinlich im Austeilen ein Vollprofi.
Gut im Austeilen
Im Austeilen war die NRWZ vor allem in ihren Anfangsjahren gut. Zu gut. Rücksichtslos, auch. Wir haben uns, ich habe mich mitunter auf Menschen eingeschossen. Habe Themen aufgebauscht, Entscheidungen ins Lächerliche gezogen. All das im guten Glauben, aber auch, um Aufmerksamkeit zu erregen. Es war von Beginn an ein wirklich harter Job, eine Wochenzeitung aufzubauen und am Leben zu halten – bei den laufenden Kosten für Personal, Druck und Verteilung, die auf den Schultern zentnerschwer lasteten. Es wäre mir phasenweise beinahe nicht gelungen, was mit ein Grund dafür war, dass ich eine gewisse Aggressivität entwickelt habe. Ich denke, dass ich hier und da auch eine Grenze überschritten habe. Das geschieht, wenn man den Grenzgang wagt. Dann übertritt man sie zwangsläufig. Es tut mir leid.
Ausgerechnet als pures Online-Medium habe ich aber daran gearbeitet, die NRWZ in ruhiges, anständiges Fahrwasser zu bringen, und meine, dass mir das gelungen ist. Wir haben keinen Redaktionsschluss, können deshalb auf eine Stellungnahme etwa der Stadtverwaltung warten. Ein Beispiel: Da gibt es diese Hecke in der Kampitschstraße in Rottweil, wegen der die Stadt sich angeblich aufführt wie ein bockiges Kind. Sagt sinngemäß ihr Eigentümer. Und die Tageszeitung druckt das. Die – sehr knappe – Stellungnahme der Stadt fließt erst bei einem zweiten Anlauf zum Thema ein.
Sie werden es vielleicht nicht gemerkt haben, liebe Leserinnen und Leser, aber das ist nicht mehr der Stil der NRWZ. Auch nicht gefühlt jede dritte lokale Geschichte zum „Aufreger“ zu erklären. Ich möchte zudem nicht, dass die NRWZ ihren Leserinnen und Lesern Fragen stellt wie „Ist die neue Tennenbronner Halle von Hochwasser gefährdet?“ So titeln wir nicht. Insofern haben wir uns in den 20 Jahren weiterentwickelt. Wir sind auch nicht wie das Mädchen, das mit großen Augen erstaunt in die Welt blickt. Wir sind gestandene Leute, die schon eine Menge gesehen haben. Das sollten Sie spüren, wenn Sie NRWZ.de aufrufen.
Schnell in der Berichterstattung – und beim Blaulicht
Heute sehe ich die NRWZ hauptsächlich als ein schnelles Lokalnachrichten-Medium. Als eine Online-Lokalzeitung, die vor allem aus Rottweil und Schramberg zügig berichtet, ohne Zeilen- und Seitenbeschränkung. Rottweil, weil die NRWZ dort zu Hause ist, dort geboren wurde. Schramberg, weil vor allem ich hier eine gewachsene Achse sehe. Und weil wir einen tollen Lokalreporter dort gewinnen konnten, Martin Himmelheber, unterstützt von David Kuhner. Aber auch, weil die Tageszeitung lieber den Neckar entlanggeht, Richtung Oberndorf und Sulz, wollen wir eine Alternative bieten.
So viel Schramberg, das verärgert manche in Rottweil und Umgebung, erst am Sonntag hat jemand deshalb sein Abonnement gekündigt. Wobei – man kann doch das, was man nicht wissen möchte, einfach wegklicken oder wegscrollen. Geht in unserem Falle ganz einfach. Wir haben auch eigens Seiten für Rottweil und Schramberg eingerichtet.
Mir, das wissen unsere Stammleserinnen und -leser, liegt Blaulicht. Kommunalpolitik ist bei Wolf-Dieter Bojus in erfahrenen und sehr guten Händen, ich stürze mich auf Ereignisse, zu denen Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei ausrücken. Da steckt, das möchte ich einmal loswerden, ebenfalls jahrelange Arbeit drin. Ansprechpartner kennen, samt ihren Handynummern, Abläufe an Einsatzstellen verstehen, sich dort professionell verhalten – das ist nicht Bestandteil der Journalistenausbildung.
Zumal man als Reporter im Hinterkopf haben muss, dass man an einer Einsatzstelle der Überflüssigste ist. Gleich nach dem Gaffer. Auch hier muss man übrigens was aushalten können. Schnell sind Sie der Prellbock, der Blitzableiter – mal für gestresste Einsatzkräfte, eher noch für Verkehrsteilnehmer, die wegen eines Unfalls und laufender Rettungsarbeiten im Stau stehen. Mein Lieblingsbeispiel: schwerer Unfall auf der Autobahn, alles steht, keiner kann weg. Und dann laufen Sie mit ihrer gelben Weste mit der Aufschrift „PRESSE“ nach vorn. Da können Sie etwas erleben.
Aber weil dieser Text auch von Lob handeln soll: Neulich meldete sich ein Unfallfahrer. Ein junger Mann, der sehr viel Glück hatte. Sein Wagen ist Schrott, er überlebte schwer verletzt. Und schrieb nun, er sei der NRWZ und dem Autor „für den guten und sachlichen Bericht“ sehr dankbar. Gibt es alles.
Ganz viel Dank
Apropos Dank: Ich möchte mich wiederum an dieser Stelle mal bei allen Einsatzkräften von Feuerwehr, DRK und Polizei bedanken, die vertrauensvoll mit mir beziehungsweise der Lokalpresse zusammenarbeiten. Die Feuerwehrkommandanten und -sprecher, die Organisatorischen Leiter Rettungsdienst, die Leute von den DRK-Bereitschaften, von der Bergwacht und von der Öffentlichkeitsarbeit und vom Führungs- und Lagezentrum der Polizeipräsidien in Konstanz und Reutlingen. Die Streifenbeamtinnen und -beamten, die Pressesprecher der Bundespolizei und der Kriminalämter, die Richter und Staatsanwälte. Und alle drumherum. Danke. Aber auch allen Pressesprecherinnen und -sprechern, mit denen ich zu anderen Themen Kontakt habe: danke.
Ein Dank geht natürlich auch an all die unermüdlichen Texterinnen und Texter aus den Vereinen und Unternehmen, die uns ihre Pressemitteilungen liefern. Zwei möchte ich stellvertretend für alle nennen. So ist ein Sonntag ohne die Meldungen vom Sportkegeln aus der Feder von Jens Kaschuba kein Sonntag. Und glücklicherweise begleitet Berthold Hildebrand gekonnt die kirchlichen Termine als Texter und Fotograf.
Überdies können wir uns glücklich schätzen, Mitarbeitende wie Fritz Rudolf, Thomas Decker, Silas Stein zu haben, die ihre Kameras vortrefflich bedienen können. Und fast allen voran: Ralf Graner, der hinter dem Können einiger Fotografen hier in Rottweil steckt. Außerdem ist Christian Klemm ein verlässlicher Partner, wenn es irgendwo brennt oder knallt oder unruhig wird.
Das zeigt, dass es die NRWZ geschafft hat, einen verlässlichen Stamm an Mitarbeitenden aufzubauen und zu halten. Manche sind seit 20 Jahren höchst engagierte Wegbegleiter: Gabi Hertkorn, die NRWZ.de jeden Tag, den Gott werden lässt, unermüdlich mit Nachrichten bestückt. Ihr Mann Uli Hertkorn, der zunächst Verlagschef, zudem jahrelang Vorsitzender des dem NRWZ-Verlag beigeordneten NRWZ-Vereins war und der ein Sparringspartner im Hinblick auf alle finanziellen Verlagsangelegenheiten ist. Zudem Dr. Andreas Linsenmann, der den NRWZ-Verein als Vorsitzender mittlerweile anführt, und der die Kultur, das Feuilleton, vortrefflich abdeckt. Die Namen Bojus und Himmelheber fielen schon weiter oben. Ihnen allen gilt mein Dank. Ebenso all jenen Kundenberaterinnen und -beratern, die in all den Jahren für die Finanzierung des Projekts gesorgt haben und noch heute sorgen. Weil online, genügen uns aktuell zwei, die allerdings richtig aktiv sind: Martina Birk und Katrin Hirsch. Danke. Seit Jahren arbeitet ihnen unser Grafiker Achim M’Rabet zu. Auch ihm gilt mein Dank.
Bis zu 20 Jahre lang haben diese Menschen, wie ich auch, durchgehalten. Nicht alle, die anfangs an Bord waren, sind unserem Projekt treu geblieben. Vorstellungen gehen auseinander und Menschen streiten sich, seit es zwei Menschen gibt. Das gilt es zu akzeptieren. Ich kann das.
Ganz wunderbar und für uns als anzeigenfinanzierter Verlag ist es natürlich existenziell und essenziell, dass unsere Kundinnen und Kunden zu uns halten. Unsere Unterstützerinnen und Unterstützer. Und unsere Leserinnen und Leser. DANKE!
Wann kommt ihr wieder als gedruckte Zeitung?
Wenn ich so zurückschaue zu den Anfangsjahren, bin ich schon froh, dass wir nicht mehr gedruckt erscheinen (die Druckausgabe haben wir zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 eingestellt; das bleibt auch so, denn die Zeiten sind schlecht). Da gab es einige Nächte, die ich auf dem Sofa im Büro verbracht habe, weil es sich nicht gelohnt hätte, heimzufahren. Weil die Drucklegung anstand und ich damals nicht in Rottweil wohnte. Weil die Zeitung zu einem Zeitpunkt X fertig sein musste, lückenlos.
Wissen Sie, ich kenne den Rhythmus der Tageszeitung, wo Du Dich abends besäufst, um Stress abzubauen, und am Morgen wieder vor vollkommen leeren Seiten sitzt. Dann den Rhythmus Magazin, wo eine Geschichte tage- und wochenlang am Schirm hängt, dann die verschiedenen redaktionellen Hürden nimmt, mit Verbesserungsvorschlägen zurückkommt, wieder am Schirm hängt – bis sie endlich, endlich in den Druck geht. Man kann sie da schon nicht mehr sehen. Und ich habe den Rhythmus Wochenzeitung sehr zu schätzen gelernt, in dem es pro Woche einmal punktuell äußerst stressig wird, diesem Höhepunkt aber ein Tal folgt, aus dem Du neu Anlauf nehmen kannst. Allerdings: Auch das zermürbt auf Dauer sehr.
Norovirus? NRWZ ist trotzdem.
Und jetzt: „Nur online“. Das bedeutet, dass Du eigentlich immer irgendwie auf dem Sprung bist. Im „Urlaub“, der möglichst nicht zu lange dauert, weil Du ja vor Ort in RW sein solltest, ist das Handy immer an, das Laptop immer dabei. Eine Verschnaufpause beim Wandern im Kleinwalsertal: Sie isst einen Apfel, ich prüfe den Polizeibericht und stelle was online. Ein Morgen am Luganer See: Sie geht erst einmal mit dem Hund raus, ich telefoniere mit dem Polizeipräsidium und der Staatsanwaltschaft, schreibe „nur schnell was online“.
Oder das Wochenende in einem wunderbaren Bauernhaus am Lech: Der Server macht mächtig Probleme, Leser melden, Kollegen beschweren sich. Ich brauche nur ein paar Stunden, dann ist wieder Urlaub. Bei meinem 50. kommen die ersten Gäste an – ich muss nur noch einmal rasch los, Kaminbrand. Und dann die Krankheiten: Norovirus? Corona-Infektion? Grippe, Bronchitis, Bänderdehnung? NRWZ ist trotzdem. Immer und überall. Wenn es Internet gibt, das ist die Grundvoraussetzung.
Das soll aber kein Gejammer sein. Ein lieber Kollege, Mit-Volontär bei der Schwäbischen Zeitung und beruflich äußerst erfolgreich, sagt bei jeder sich bietenden Gelegenheit, er beneide mich um mein kleines, feines Projekt. Um die Freiheit, die es biete. Nun, von den finanziellen Schwierigkeiten, die wir überstehen mussten, weiß er nicht so viel. Aber im Grunde hat er recht.
Redaktionsräume wie in Damaskus …
Heute ist die NRWZ ein dezentral arbeitendes kleines Team. Früher haben wir uns noch in der Hauptstraße 31-33 in Rottweil zusammengefunden (ich bin unserem Vermieter bis heute dankbar für diese staatstragende Verlagsadresse über zwei Gebäude hinweg). Ein Kollege einer großen Wochenzeitung sagte einmal, unsere Büros erinnerten ihn an Redaktionsräume in Damaskus. Es stimmt: Nach einer günstig beschafften neuwertigen Ersteinrichtung haben wir unsere Büromöbel und die Technik zusammengestupft. Haben uns anfänglich auch etwas schenken lassen oder billig online gezogen. Nichts passte zueinander, aber man konnte auf diese Weise Zeitung machen. Die Software, mit der wir unsere Anzeigen verwalten, schrieb ich selbst, weil ein Kaufprodukt zu teuer gewesen wäre. Sie läuft bis heute. Demnächst wollen wir sie ersetzen.
… und heute Home-Office
Wie erwähnt, heute ist das anders. Das Büro der Anzeigenabteilung ist noch an der legendären Adresse in der Hauptstraße, aber wir haben uns dort verkleinert. Alle Redakteurinnen und Redakteure arbeiten im Home-Office. Ich etwa an einem gut ausgestatteten, großen Schreibtisch in einem geräumigen Arbeitszimmer am Curved Display, mit Mac und Schnick und Schnack und einer 2.1-Anlage für den sphärischen Sound. Man wird alt und findet Geschmack an Bequemlichkeiten.
Damit sind wir beim Alter. 20 ist die NRWZ jetzt, noch einmal so lange mache ich das keinesfalls. Aber vielleicht finden sich in ein paar Jahren ein paar junge Leute, denen wir das hier alles übergeben können. Ohnehin bin ich äußerst gespannt, wie sich die bestehenden Lokalzeitungen entwickeln werden, primär die eine verbliebene Tageszeitung hier vor Ort. Werden wir dann einen Weg vorausgegangen sein, den, „nur online“ zu erscheinen? Mal sehen, wie sie die Transformation bewältigen, was sie besser machen.
Zurück zum Arbeitstitel dieses Beitrags: „Zwischen Lob und ‚Lügenpresse'“. Ich finde, es ist noch ein wenig Platz für Lob gegenüber der NRWZ. Das folgende traf just vor ein paar Tagen ein. Ich habe mich sehr darüber gefreut und darf es hier zitieren:
Was ich als Spross aus einem Vollblutjournalistenhaushalt (mein Vater hat gleich nach dem Krieg die Neckar-Chronik in Horb wiederbelebt und jahrzehntelang als Redaktionsleiter geführt und auch meine Schwester ist ausgebildete Journalistin) besonders schätze, ist Ihre saubere Darstellung. Insbesondere sehr gut finde ich, dass Sie bei updates oder Korrekturen Ihrer Artikel, die Änderungen kenntlich machen. So stelle ich mir sauberen Journalismus vor und ich merke hier auch, dass Sie noch eines der „seltenen Exemplare“ sind, die Journalismus richtig mit Ausbildung und so…. gelernt haben. Gut auch, dass Sie immer sehr schnell die News im Netz haben ohne auf Fakten zu verzichten. Aber bitte immer wieder gerne auch Glossen und schreibakrobatisches – ich bin sicher, Sie können das.
Chapeau!
Ein Leser aus dem Zollernalbkreis.
Der Autor, Peter Arnegger, ist seit rund 30 Jahren Journalist. Seine Anfänge hatte er bei der Redaktion der „Schwäbischen Zeitung“ in Rottweil, beim Schwäbischen Verlag in Leutkirch volontierte er. Nach einem Engagement bei der zu diesem Verlag gehörenden Aalener Volkszeitung wechselte Arnegger zur PC-Welt nach München, einem auf Computer-Hard- und -Software spezialisierten Magazin. Es folgten Tätigkeiten in PR und Webentwicklung. 2004, wieder in seiner Heimat angekommen, half Arnegger mit, die NRWZ aus der Taufe zu heben. Zunächst war er deren Chefredakteur und ist zwischenzeitlich Geschäftsführer der NRWZ Verwaltungs GmbH – und als solcher der verantwortliche Journalist der NRWZ. Peter Arnegger ist 1968 in Oberndorf / Neckar geboren worden.