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    „Respekt und einen großen Glückwunsch“ zum NRWZ-Jubiläum

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    Lokaljournalismus stärkt Demokratie und Gemeinsinn. Das sagt einer, der selbst begeistert Lokaljournalismus betriebt – ihn aber auch mit kühlem Kopf wissenschaftlich untersucht: Maxim Flößer, Jahrgang 1995, arbeitet für das Studio Stuttgart des SWR als multimedialer Redakteur sowie für andere Medien. In der Abschlussarbeit seines Masterstudiums in Empirischer Politik- und Sozialforschung ist er der Frage nachgegangen, ob fehlender Lokaljournalismus und politische Polarisierung zusammenhängen. Im Gespräch mit der NRWZ erläutert Flößer, was er herausgefunden hat.

    NRWZ: Herr Flößer, Sie kennen sich aus im Journalismus im Südwesten – wo sehen Sie da die NRWZ?

    Maxim Flößer: Aus meiner Perspektive ist die NRWZ ein tolles Beispiel für Lokaljournalismus, der unabhängig von großen Verlagen organisiert wird und einen wichtigen Beitrag für kritische Berichterstattung und Meinungsvielfalt in einer Region leistet. Das Sie das schon seit 20 Jahren leisten ist großartig – mein Respekt und einen großen Glückwunsch zum Jubiläum!

    NRWZ: Dankeschön! In Ihrer Masterarbeit haben Sie den Zusammenhang zwischen Lokaljournalismus und Rechtspopulismus untersucht – wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

    Maxim Flößer: Zum einen arbeite ich selbst im Lokaljournalismus und berichte immer wieder über die Dinge, die Menschen in der Region Stuttgart bewegen. Zum Zweiten bin ich Politik- und Sozialwissenschaftler. Mich hat interessiert, wie in den vergangenen 20 Jahren rechtspopulistische bis zu offen rechtsextremistischen Parteien in vielen westlichen Demokratien wieder Fuß fassen konnten. 

    Da zeitgleich zu dieser Entwicklung die Pressevielfalt auf lokaler Ebene massiv unter Druck geraten ist, Redaktionen geschlossen werden und Zeitungen eingehen, wollte ich wissen, ob ein Zusammenhang besteht zwischen schwindendem Lokaljournalismus und dem Vordringen des Rechtspopulismus. So kam meine Forschungsfrage zustande.

    NRWZ: Was haben Sie herausgefunden? 

    Maxim Flößer: Dass die Präsenz von Lokalzeitungen in einem messbaren Zusammenhang steht zum Stimmenanteil für die AFD, die in diesem Fall stellvertretend für rechte bis rechtsextremistische Parteien steht. Ich habe 1.100 Gemeinden in Baden-Württemberg untersucht – etwa 900 mit, etwa 200 ohne Lokalzeitung. Das Ergebnis: Wo Lokaljournalismus fehlte, erhielt die AfD bei der Landtagswahl 2021 größere Stimmanteile.

    Da fallen auch andere Einflussfaktoren ins Gewicht, wie der Wohlstand einer Gemeinde, die Bevölkerungs-Zusammensetzung, der Migrationsanteil, die Arbeitslosenquote. Aber neben all dem zeigt meine Untersuchung wissenschaftlich belastbar, dass Journalismus tatsächlich relevant ist im Kontext einer Wahl.

    NRWZ: Ging es in Ihrer Untersuchung nur um die Frage, ob überhaupt eine Lokalzeitung vorhanden ist, oder auch darum, ob es mehrere journalistische Stimmen gibt?

    Maxim Flößer: Anfangs ging es auch um die Vielfalt. Und es hat sich in meinen Daten gezeigt, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob eine oder mehrere Zeitungen vorhanden sind. Für meine Studie wurden andere Gesichtspunkte allerdings wichtiger, sodass ich diesem Aspekt nicht weiter nachgehen konnte. Aber es gibt verschiedene Untersuchungen, die gezeigt haben, dass, je höher die Medienvielfalt ist, je breiter die Menschen informiert sind, desto motivierter sind sie, sich zu engagieren und in ihre Gemeinschaft einzubringen. 

    NRWZ: Worin liegt ihrer Einschätzung nach die Bedeutung von Lokaljournalismus für Demokratie und für ein lebendiges, offenes Gemeinwesen?

    Maxim Flößer: Lokaljournalismus sorgt dafür, dass Menschen informiert sind und verstehen, warum vor ihrer Haustür beispielsweise eine Kita geschlossen oder warum eine Flüchtlingsunterkunft in dieses Gebäude kommt und nicht in den Nachbarort. Man kann Entwicklungen nachvollziehen, kann mitreden und auch seine eigene Stimme in die Öffentlichkeit tragen – zum Beispiel mit Leserbriefen. 

    Ein anderer Punkt: Wo es Lokalzeitungen gibt, wird politisches Handeln besser kontrolliert und diskutiert – es gibt weniger Mauscheleien, weniger Korruption. Eine Studie zeigt zum Beispiel, dass es weniger Umweltvergehen von örtlichen Unternehmen gibt und öffentliche Ausgaben besser koordiniert werden – Journalismus nimmt da eine klassische Wächterfunktion ein. 

    Zudem fördern Lokalzeitungen das Engagement von Bürgerinnen und Bürger vor Ort, sie fördern ein Gefühl von Einbindung, von Zusammenhalt in der jeweiligen Gemeinschaft. Das wirkt auch Gefühlen vom Einsamkeit entgegen, die ein Radikalisierungsfaktor sein können. Lokaljournalismus erzählt von der jeweiligen Gemeinschaft, von den Angeboten, bei denen man sich einbringen kann. Auch die manchmal etwas belächelten Berichte über den sprichwörtlichen Kleintierzüchterverein tragen letztlich dazu bei, dass sich Menschen mit ihrem konkreten Umfeld besser verbunden fühlen.

    NRWZ: Verweist das vielleicht auf ein großes Missverständnis: Dass viele dazu tendieren zu meinen, die großen, vermeintlich wichtigen Dinge spielten sich in der großen, weiten Welt ab – und im Grunde werden gerade auch im vermeintlichen Kleinklein des Lokaljournalismus zentrale Fragen von Identität und Werthaltungen verhandelt?

    Maxim Flößer: Da kann ich nur voll und ganz zustimmen. Das halte ich für ein ganz, ganz gravierendes Missverständnis. Lokaljournalismus ist im Grunde auch ein sozialer Beruf, der Leute aneinander bindet, indem er diese Geschichten erzählt, aufklärt und dadurch auch ein Gemeinschaftsgefühl fördern kann. Ich erlebe das selbst immer wieder.  Man kommt mit den Leuten direkt ins Gespräch, bekommt ein unmittelbares, offenes Feedback – man erhält mehr Rückmeldungen als bei nationaler politischer Berichterstattung. Schon das zeigt, wie wichtig das für Menschen ist.

    NRWZ: Aber wirtschaftlich steht der Lokaljournalismus unter Druck, die Leserschaft wird älter – was sind denn aus ihrer Sicht zukunftsweisende Gegenstrategien?

    Maxim Flößer: Das ist die große Frage. Jedenfalls nicht das Wegsparen der lokalen Strukturen. Ein Gegentrend besteht seit einigen Jahren im „Hyperlokalen“, also in Zeitungen oder Zeitschriften, die sich auf eine Stadt oder einen Stadtteil konzentrieren und dort eine enge Bindung zu Leserschaft und Anzeigenkunden aufbauen. Ich kenne ein Beispiel, das gerade vorbereitet wird, näheres kann ich vorab nicht sagen, aber letztlich ist es ähnlich gedacht wie die NRWZ mit einem Verein als Grundlage.  

    Ein anderer Trend ist, Lokaljournalismus mit innovativen Modellen im Internet zu verbinden – auch da ist die NRWZ ja ein interessantes Beispiel. Fest steht, dass Lokaljournalismus ein hohes Vertrauen genießt und nachgefragt wird. Laut dem aktuellen News Report für Deutschland liegt er auf Platz Drei nach der ARD-Tagesschau und den ZDF-Nachrichten. Das ist schon sehr bemerkenswert und es unterstreicht, dass es sich lohnt, für guten, vielfältigen Lokaljournalismus zu kämpfen.

    Die Fragen stellte unser Redakteur Andreas Linsenmann.

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