Seit März 2020 erscheint die NRWZ, die Neue Rottweiler Zeitung, nicht mehr in gedruckter Form, sondern „nur online“. Dahinter steckt eine ganze Menge mehr, als diese beiden Wörtchen vermuten lassen.
März 2020, etwas bis dahin Undenkbares geschieht: Landes- und Bundesregierung schränken das öffentliche Leben bis auf ein Minimum ein. Geschäfte, Restaurants, Cafés müssen schließen, Unternehmen stellen ihren Betrieb ein. Auch Schulen, Kindergärten, Kitas machen dicht. Die Neue Rottweiler Zeitung, die seit 2004 als Wochenzeitung erschien, ist von diesem ersten Corona-Lockdown betroffen, wie alle anderen auch. Für die NRWZ bedeutet das, dass fast alle für die aktuelle Ausgabe gebuchten Anzeigen binnen 48 Stunden storniert werden. Auf unbestimmte Zeit. Eine Wochenzeitung mit nahezu null Anzeigen kann nicht am Leben bleiben, daher entschließt sich der NRWZ-Verlag zu einem schnellen Schritt: Einstellung der Printausgabe. Die Kosten müssen runter, und zwar flott. Wir erscheinen erst einmal „nur online“. Wir sparen Druck und Verteilung. Glücklicherweise haben die betroffenen Unternehmen, langjährige Verlagspartner, diesen Schritt voller Verständnis mitgetragen. In Ausnahmesituationen gibt es keine Kündigungsfrist.
Eine erste Einschätzung auf der Verlagsseite ergab: Wir haben ein Nachrichtenportal unter www.NRWZ.de, wir haben das Know-how, wir machen einfach weiter wie bisher, nur eben ohne Druckausgabe.
Von wegen.
Selbst wir, online-affine Leute mit technischem Hintergrund, hatten die Website bis dahin offensichtlich als ein Stiefkind behandelt. Der Fokus lag auf der Wochenendausgabe, online lief so nebenbei mit. NRWZ.de, das wurde rasch klar, war weder technisch noch gestalterisch auf der Höhe. Gerade in einer Zeit der Kontaktbeschränkungen und der sich einander jagenden Bestimmungen musste unser Portal übersichtlich und verlässlich Auskunft geben. Und es musste diesen redaktionellen Aufwand, von den regelmäßig fließenden Unterstützer- und Abogeldern abgesehen – plötzlich alleine finanzieren. Darauf war NRWZ.de nicht vorbereitet. Anzeigenplätze mussten her, bepreist und beworben und erklärt werden. Messmethoden der Aufrufzahlen von Artikeln und Anzeigen mussten integriert werden.
Übrigens: Diese Messungen, aber auch die Verlagerung unserer Leserkommunikation ausschließlich auf den Online-Kanal, setzten leistungsfähige Technik voraus. Das wurde zu einem Hauptbestandteil der verlegerischen Arbeit im Hintergrund: Hard- und Softwareoptimierungen. Wie in unseren Anfangszeiten sind wir mittlerweile wieder bei einem selbstverwalteten Server angelangt, der nach ein paar Anlaufschwierigkeiten belastbar unsere Nachrichten und die begleitenden Anzeigen ausliefert, die alles finanzieren.
Verlorenes Layout
Außerdem ist NRWZ.de – wie schon die Druckausgabe – eine stetige Weiterentwicklung. Wir versuchen, unsere Nachrichten übersichtlich anzubieten, lesbar, auf jedem Endgerät. Das ist eines der Probleme: Bei einem gedruckten Medium wissen Sie als Produzent, wie es rauskommt. Bei einer Website können Sie nicht bestimmen, ob sie mit einem neuen oder alten Handy oder mit einem Computer besucht wird. Das ist auch ein wenig schade: Unsere Artikel sehen primär auf großen Bildschirmen schick aus. Drei Viertel unserer Leserinnen und Leser aber rufen sie mit einem Smartphone auf. Da geht viel Layout verloren, obendrein sehen alle Nachrichten ziemlich gleich aus, vom VHS-Töpferkurs bis zum Großeinsatz mehrerer Feuerwehren. Auf so kleinen Bildschirmen können Sie als Nachrichtenmacher kaum gewichten. Und die Gefahr ist groß, dass gerade im Lokalen ein Nachrichtenlieferant „seine“ Nachricht übersieht und glaubt, wir hätten sie missachtet. Ihn ignoriert. Da droht Ärger.
Ärger droht auch, wenn NRWZ.de lahmt oder ausfällt. Hinter so einer stark besuchten Website – es greifen in Einzelfällen mehrere Tausend Menschen gleichzeitig darauf zu – werkeln Hard- und Softwareprodukte zusammen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. 25 Progrämmlein liefern das, was Sie, liebe Leserin und lieber Leser, beim Aufruf von NRWZ.de sehen. Das eine ist für die Artikelverwaltung und -darstellung zuständig, das andere für die Anzeigeneinbindung. Ein weiteres für die Kommentare, eins für die bei Archivaren beliebte Druckfunktion. Dann benötigen wir eine gute Anbindung an Suchmaschinen, außerdem wollen wir wissen, welche Artikel am meisten gelesen werden. Und schließlich braucht es noch ein Programm, das alles zusammen auf das Maximale beschleunigt und alleine gut 100 Einstellungsmöglichkeiten bietet und eng mit dem Server verzahnt ist.
Kurz: Lösen Sie das eine Problem, kann woanders ein neues auftreten. Drehen Sie hier ein wenig, kann es an anderer Stelle zu Hakeleien kommen. Alltag für Administratoren. Wenn gerade alles wie am Schnürchen läuft, muss das nicht so bleiben. Ein automatisch eingespieltes Update kann Ärger machen, ein aus dem Ruder laufendes Backup, alles schon dagewesen. Wenn Sie abends mit einer laufenden Website ins Bett gehen, muss das nicht bedeuten, dass Sie morgens mit einer aufwachen.
Einerlei.
Besser fürs Klima?
Wir werden uns ja wohl mit dem Gedanken trösten können, dass wir etwas für die Umwelt und fürs Klima tun, wenn wir auf Druck und Verteilung verzichten. Aber, Sie ahnen es schon, so einfach ist das auch nicht. Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) hat die ökologischen Auswirkungen vergleichbarer gedruckter und digitaler Medien untersucht. Lassen Sie uns zitieren:
„Printmedien und elektronische Medien stehen vermeintlich oder tatsächlich in einem harten
Wettbewerb zueinander. Dabei scheint Online inzwischen in vieler Hinsicht die Nase vorn zu
haben. Zumindest in puncto Umweltverträglichkeit gilt vielen der Vorteil von elektronischen
Medien gegenüber dem herkömmlichen Druckprodukt als ausgemacht. Es scheint ja so offensichtlich: Die Zeitung wird täglich millionenfach gekauft, nur einmal gelesen, weggeworfen – und damit all die wertvollen, weil knappen, Ressourcen wie Holz und Energie. … Dieser Verschwendung steht, so das landläufige Argument, auf der Online-Seite gerade mal der Strom gegenüber, den man zum Betrieb eines PC oder Smartphones braucht. Fazit: Elektronische Medien bieten inzwischen für … Printprodukte umweltfreundlicheren Ersatz, etwa Online-Ausgaben der Zeitungen.“
Das Institut kommt zu dem Schluss:
Die Printzeitung verbraucht im Vergleich zur Online-Zeitung deutlich mehr Primärenergie. Der Carbon-Footprint ist ebenfalls größer. Die Gesamtumweltbelastung ist bei der gedruckten Zeitung auch höher. Das alles spricht gegen die gedruckte Zeitung. Allerdings verschiebt sich dieses Ergebnis in der sogenannten Sensitivitätsanalyse, bei der einzelne Beurteilungsparameter verändert werden. Die Print-Zeitung ist gegenüber der Online-Zeitung ökologischer, wenn sie länger als 26,5 Minuten gelesen wird, und wenn der Datentransfer der Online-Version über UMTS erfolgt. Denn das Lesen einer Online-Zeitung, die über UMTS übertragen wird, hat eine wesentlich höhere Umweltbelastung zur Folge als bei einer Übertragung via Festnetz. Außerdem muss die Tageszeitung von mindestens 3,2 Lesern gelesen werden. Wer seine Zeitung also nur für sich liest, erzeugt eine höhere Umweltbelastung.
Nun ist diese Bewertung gut zehn Jahre alt, geändert haben dürfte sich aber nicht viel. Es ist einfach nicht verlässlich darstellbar, ob jetzt Print oder Online in puncto Umweltbilanz die Nase vorn hat. Aber: Print wird von online abgelöst, das steht fest. Die Tageszeitungen, auch die örtliche, verlieren Print-Abonnenten. Langsam, aber stetig. Hier wird sich etwas ändern müssen.
Wir sind und bleiben online
Die NRWZ ist gezwungenermaßen diesen Schritt schon gegangen. Wir sind jetzt „nur online“, und angesichts der Summen, die ein Printprodukt bei stetig steigenden Rohstoffpreisen (Druck und Papier) und kontinuierlich kletternden Personalkosten (Verteilung) verursacht, werden wir diesen Schritt nicht zurückgehen. Wir haben uns vor Corona geflüchtet in eine rein digitale Welt – und sind in ihr mittlerweile zu Hause. So mag es bleiben.